Ein Bahnhof ohne Züge. (c) Christoph Baumgarten

Balkan Stories ist ein Jahr alt

 

Balkan Stories feiert seinen ersten Geburtstag. Vor genau einem Jahr ging die erste Geschichte auf diesem Blog online. Mehr als 100 sind es seitdem geworden und wie die wachsende Zahl der Leserinnen und Leser zeigt, sind es interessante Geschichten, die häufig Menschen eine Stimme geben, die sonst nicht zu Wort kommen.

Fast 48.000 Besucherinnen und Besucher seit dem 21. Oktober 2015. Das ist mehr als ich erwartet hatte. Deutlich mehr.

An diesem Tag ging eine Reportage aus Bosnien online, die eine der wenigen erfreulichen Nachrichten aus dem Land zum Thema hatte, die von den Bosniern über die ethnischen Grenzen hinweg begrüßt wurde. Das Nationalmuseum hatte nach drei Jahren wieder aufgesperrt.

(c) Christoph Baumgarten

Möglich gemacht haben das allein eine hartnäckige Bürgerinitiative, die von tausenden Bosniern mitgetragen wurde, und die Belegschaft des Museums, die das Gebäude und den reichen Bestand ohne Bezahlung die ganze Zeit in Schuss gehalten hatte.

Das wurde zu Recht von der Organisation Europa Nostra geehrt.

Menschen eine Stimme geben

Unter all den Geschichten liegen mir viele am Herzen. So schwierig die Wahl ist, mein emotionaler Favorit ist die Reportage über den Bildhauer von Travnik.

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Der heißt Luej, ist Flüchtling aus Basrah und verdient da Geld für die Skulpturen, die er seiner neuen Heimat schenkt, als vor allem bei der Damenwelt beliebter Friseur.

Solche Geschichten kannst du nicht planen.

Balkan Stories gibt es vor allem, um solche Geschichten zu erzählen. Geschichten von Menschen, die sonst keine Stimme haben.

Menschen, an denen man oft achtlos vorbeigeht, wie an den Obdachlosen von der Zweierlinie in Beograd.

Menschen wie Titos letzter Soldat, Oberst Slavko Mrkić.

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Menschen wie Jelena, die Beograder Fotografiestudentin, die zwei Jobs macht und damit einen vergleichsweise hohen Lebensstandard erreicht, aber an ihrer Belastungsgrenze ist.

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Menschen wie Fardil, der darauf angewiesen ist, gebrauchte Schulbücher in Sarajevo zu verkaufen.

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Menschen wie Ardiana, dem Roma-Mädchen aus Tirana, dem die Polizei sein Zuhause genommen hat, und der Roma-Aktivistin Brisilda Taco.

Ardiana Duke watches as police evict her home, expecting them to enter the house any minute. (c) Brisilda Taco
Ardiana Duke watches as police evict her home, expecting them to enter the house any minute. (c) Brisilda Taco

Menschen wie Juliet, die Britin, die nach Sarajevo kam um zu bleiben.

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Juliet Walker Photo: (c) Majda Turkić

Die Reportagen

Es gab auch tragikomische Geschichten. Wie die vom Verrückten aus Deutschland im Bus von Mostar bis Wien. Bis Wien kam er nicht.

Eher unfreiwillig komische Momente enthält die Reportage aus Višegrad, die zeigt, wie unaufgearbeitet der Krieg bis heute ist.

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Wichtig war mir auch die Reportage über die jüdische Gemeinde von Sarajevo. Dort ist türkischer Kaffee noch türkischer Kaffee.

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An kroatischen Geschichten gab es etwa diese Fotoreportage aus Zagreb.

A pro pos Fotos. Die Straßenkunst in Banja Luka fand ich sehr inspirierend.

Geschichte aufarbeiten

Mit verdrängter Geschichte zu tun hat der Artikel auf Balkan Stories, der wahrscheinlich den größten Einfluss bisher hatte: Der über die Ustaša-Affäre des Duden.

Die Geschichte hat Balkan Stories sogar ein bisschen berühmt gemacht. Zu verdanken ist das auch dem serbischstämmigen deutschen Historiker Dario Vidojković.

Viel Aufmerksamkeit erregt hat auch ein Interview mit Jovan Divjak, dem Helden von Sarajevo, der heute eines der wenigen überkonfessionellen und supraethnischen Bildungsprojekte im Land leitet.

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Sehr kontroversiell war die Analyse des Wirkens der Nonne Anjezë Gonxhe Bojaxhiu, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Mutter Teresa. Das Resumee dieses englischsprachigen Beitrags: A Holy Fraud.

Aus dem „Herz des Balkan“

Es wäre kein Blog über den Balkan, würde nicht Wien eine prominente Rolle spielen. Der aus Sarajevo stammende Wiener Journalist Nedad Memić hat unser beider Stadt in einem Artikel im“Standard“ vor kurzem als „Herz des Balkan“ bezeichnet.

Das fängt bei mir vor der Haustür an.

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An der Stadtgrenze gab es ein Highlight meiner Blogger-Tätigkeit: Das Revival-Konzert von Bijelo Dugme.

Jubeln

Wien war auch die erste Stadt außerhalb des ehemaligen Jugoslawien, wo der Prophet des YU-Rock, Petar Janjatović, seine neu aufgelegte Enciklopedija YU-Rock vorgestellt hat.

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Und die Stadt, in der es großartige YU-Rock-Bands gibt, die dort auftreten, wo sie niemand erwartet.

Wo anders könnte ein ehemaliger Flüchtling wie Renato Čiča so schnell ein Hilfsnetzwerk aufziehen?

Und natürlich gibt es hier auch mit dem Jugo-Beisl die geeignete Bühne für das Erzählen typisch balkanischer Geschichten.

Und einige spannende Geschichten hab ich noch auf Lager. Einfach in den nächsten Wochen vorbeischauen. Oder Balkan Stories abonnieren. Geht auch über Facebook.

Danke für Euren Zuspruch

Balkan Stories ist, wiewohl von einem Journalisten nach journalistischen Standards betrieben, eine private Seite, die ich in meiner Freizeit betreibe. Der Blog bringt keinerlei Einnahmen und wird von mir privat finanziert. Das sichert seine Unabhängigkeit.

Umso wichtiger ist der Zuspruch und die Unterstützung, die ich Leserinnen und Lesern, Freundinnen und Freunden erfahre. Auch kritisches Feedback ist hochwillkommen.

Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner besten Freundin Majda Turkić, bei Rüdiger Rossig, Mirella Sidro, Ana Benačič, Lily Lynch, Jim Marshall und bei David Bailey.

Ohne eure Gastfreundschaft, eurer Wissen und eure Unterstützung wäre Balkan Stories nicht das, was es ist.

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