Franjo bringt mit von einem Bosnienaufenthalt Drina mit. Sie sind gefälscht. Franjo wusste das nicht. Mich stellt die Sache vor ein Rätsel. Der seltsame Fall der gefälschten Drina.
Es gibt wahrscheinliche und unwahrscheinliche Dinge.
Dass die mit Abstand günstigste und beliebteste Zigarettenmarke Bosniens gefälscht wird, zählt zu den unwahrscheinlicheren Dingen.
Nur, es besteht kein Zweifel, dass die drei Packungen Drina Denifine gefälscht sind, die mir Franjo vor Kurzem aus Bosnien mitgebracht sind.
Dass der Warnhinweis auf Englisch ist, macht wenig Sinn.
Auch nicht, wenn man bedenkt, dass die Zigaretten laut Steuermarke nach Serbien exportiert wurden.
Englischsprachige Beschriftung ergibt keinen Sinn
In Bosnien sind Zigaretten stets in allen drei vorherrschenden Idiomen der Sprache ohne Namen beschriftet. Daran erkennt man, was alles schief läuft im Land, siehe HIER.

In Serbien sind sie nur im serbischen Idiom auf Kyrillisch beschriftet.

So wie diese Packung der serbischen Marke gleichen Namens, die in der Zigarettenfabrik Niš hergestellt wird.

In Montenegro, wo sie bis vor Kurzem jedenfalls erhältlich waren, im lokalen Idiom in lateinischer Schrift mit Schockbildern, die halb so groß sind wie in der EU.
In Duty Free Shops habe ich sie noch nie gesehen.
Eine englischsprachige Beschriftung erscheint sinnlos.
Zumal, wenn sie aus dem Duty Free Shop wären, wäre ein entsprechender Hinweis auf die Packung gedruckt.
Den findet man auch auf den Zigarettenpackungen, die ein mobiler Händler in Prishtina auf offener Straße verkauft.
Vermutlich sind sie auf dem Weg zum Flughafen oder ins EU-Gebäude vom Lastwagen gefallen.
Außer nach Serbien und zumindest früher nach Montenegro werden Drina heute meines Wissens nach nirgendwohin exportiert.
Schon gar nicht in englischsprachiges Nicht-EU-Ausland. Mit einer serbischen Steuermarke sowieso nicht.

Kaum rauchbar
Die Zigaretten brennen auch schlechter als das Original und schmecken anders.
Das Kraut ist am Rande der Rauchbarkeit.
Echte Drina sind stark und angenehm aus einer lokalen Tabakmischung.
Die Falschen kratzen.
Auch das Packungspapier kommt mir matter und steifer vor als beim Original.
Franjo wusste nicht, dass die Drina gefälscht sind.
Franjo ist ein guter Freund.
Er raucht nicht.
Ihm kam es nicht seltsam vor, dass er auf einem Markt in einer nordbosnischen Stadt Drina mit englischsprachiger Aufschrift kauft.
Franjo kommt aus Zagreb.
Millionengeschäft Zigarettenschmuggel
In Kroatien gibt es keine bosnischen Zigaretten.
Kroatien belegt die mit hoher Steuer. Der Export zahlt sich nicht aus.
In Kroatien kann man höchstens kroatische Zigaretten kaufen, die offiziell nach Bosnien verkauft wurden und wieder zurückgeschmuggelt wurden.
Die kauft man auch auf Märkten oder in verschwiegenen Geschäften, zu günstigeren Preisen als in der offiziellen Trafik.
Hat ja niemand Tabaksteuer gezahlt.
Vielleicht sind da auch mal gefälschte dabei.
Nur sicher keine gefälschten Drina.
Und ganz sicher keine mit serbischer Steuermarke.
Tabak- und Zigarettenschmuggel ist nach wie vor ein Abermillionengeschäft im ehemaligen Jugoslawien.
Ganz besonders in Bosnien.
Steuerfreie Ware kannst du überall kaufen
Händlerinnen und seltener Händler findet man praktisch überall.
Die alten Frauen vor dem Busbahnhof Lukavica/Istočno Sarajevo haben sie offen auf Handtüchern oder Decken ausgebreitet.
In Zenica stehen sie in der Fußgängerzone.
In Markale in Sarajevo sind sie etwas diskreter.
Die alten Frauen raunen dir im Vorbeigehen zu: „Cigare? Duhan?“
Sagst du Ja, führen sie dich zu einem Stand, eine Lade geht auf und die hältst die Ware in der Hand.
Ein halbes Kilo Golden Virginia für 13 Mark, das sind 6 Euro 50.
Hab ich gehört.
An Zigaretten werden ausländische Marken oder die etwas teureren Produkte der Fabrika Duhana Sarajevo (FDS) angeboten.
In Summe ist das Phänomen für die bosnischen Tabakbauern schon seit Jahren existenzbedrohend.
Drina Denifine hab ich nie schwarz angeboten gesehen.
Drina zu schmuggeln, lohnt sich weniger
Vermutlich ist der offizielle Verkaufspreis mit aktuell 4,90 Mark (2,45 Euro) zu gering als dass sich Schmuggel groß lohnen würde.
FDS scheint damit halbwegs klarzukommen.
Denkbar wäre es, dass Drina offiziell nach Serbien exportiert werden und zurück nach Bosnien geschmuggelt.
Aber, wie gesagt, beim relativ niedrigen Preis sind andere Marken attraktiver.
Malboro etwa kosten sechs Mark die Packung.
Außerdem ist das Risiko mit Serbien größer geworden.
Die Behörden haben den Zigarettenschmuggel aus Bosnien einigermaßen unterbunden.
Wenngleich die vermutlich Verantwortlichen nicht immer von der Bildfläche verschwunden sind.
Vermutlich steckt anders als in Montenegro niemand Wichtiger tief drin im Geschäft.
Abzweigung: Schmugglerparadies Montenegro
Der Schmuggel läuft eher Richtung Westen. Über Montenegro.
Das gilt auch für Zigaretten, die von der FDS hergestellt werden.
FDS bestreitet, etwa in dieser ausführlichen und gut recherchierten Geschichte von BIRN, bewusst für den illegalen Handel zu produzieren.
Das ist nicht völlig unplausibel.
Ob der Händler, für den FDS herstellt, die Zigaretten wie laut offiziellen Papieren in Libyen verkauft oder sie nach Griechenland schmuggelt, kann FDS bestenfalls zum Teil kontrollieren.
Ob es FDS auch brennend interessiert, ob ihre Zigaretten legal oder illegal verkauft werden, ist eine andere Frage.
FDS interessiert wahrscheinlich mehr, ob eigene Zigarettenmarken gefälscht werden oder nicht.
Das dürfte öfter vorkommen.
Auch gefälscht wird oft
Kleine Tabakfabriken lassen sich ohne allzu großen Aufwand schnell einrichten.
Dass die Ware minderer Qualität ist, ist den illegalen Fabrikanten egal.

Sie wollen Geld verdienen, nicht Kunden verwöhnen.
Gefälscht werden dürften vor allem die prestigeträchtigeren ausländischen Marken wie Malboro. Oder die etwas teureren Lokalmarken.
Die Preisunterschiede zwischen Schwarzmarkt und Trafik sind dort am größten.
Das macht es für Kunden attraktiver.
Dass die preisgünstigsten Zigaretten gefälscht werden, dürfte nicht so oft passieren.
Eine Internetrecherche zu gefälschten Drina-Zigaretten brachte keine Ergebnisse.
Andererseits: Bosnien erhöht jährlich die Tabaksteuer.
Je teurer auch die günstigen Zigaretten werden, desto eher ist es ein Anreiz, auch sie zu fälschen.
Offenkundig ist das passiert.
Und offenkundig tun Politik und Behörden gerade in Bosnien sehr wenig gegen Schmuggel und Fälschungen.
Der Staat gilt generell nicht als Hort der Rechtsstaatlichkeit und der Korruptionsbekämpfung.
Dass Bosnierinnen und Bosnier gelegentlich bewusst oder unbewusst gefälschte Drina-Zigaretten kaufen, ist da ein eher kleineres Problem.
Wenngleich eines, an dem man sehen kann, was alles schief läuft im Land.
Woher Franjos gefälschte Drina stammen, wird sich vermutlich nicht mehr rekonstruieren lassen.