Die Kronenzeitung, Österreichs auflagenstärkste Tageszeitung, ist für einen neuen Medienskandal verantwortlich. Sexkolumnistin Gerti Senger rät einer missbrauchten polnischen Putzfrau, den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch durch ihren Arbeitgeber hinzunehmen, sollte sie mehr Geld verdienen wollen.
Für einen normalen Menschen klingt es wie ein Hilferuf, was eine laut Leserbrief 29-jährige polnischstämmige Frau an Sexkolumnistin Gerti Senger schreibt.
„Seit zwei Jahren putze ich (…) für einen rüstigen Pensionisten (70). Von Zeit zu Zeit muss ich ihn oral befriedigen. Ich will das nicht, habe aber Angst, dass ich eine so gut bezahlte Arbeit nicht mehr finde.“
Die Leserbriefredaktion von Österreichs auflagenstärkster Tageszeitung, der Krone, und ihre Sexkolumnistin Gerti Senger sehen das offenbar nicht ganz so eng.
In ihrer Antwort schreibt Senger wörtlich:
Leider werden Sie nicht nur für Ihre Arbeit bezahlt, Sie verkaufen auch sich selbst. Würden Sie das weiterhin tun, könnten Sie genauso viel, wenn nicht noch mehr verdienen. Falls Sie das aber wirklich nicht wollen, müssen Sie sich mit etwas weniger Geld begnügen. Nur so könnten SIe Ihren Seelenfrieden und Ihre Selbstachtung retten.
Wo bleiben die Hilfsangebote?
Kein Hinweis, dass man mit der Betroffenen Kontakt aufgenommen hat – und ihr vielleicht Kontakte zu Opferschutzeinrichtungen oder die Nummer der Frauenhotline vermittelt hat oder sie an eine geschulte Polizistin verwiesen hat oder an die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer.
Ein normaler Mensch würde eine Frau, die ihr Arbeitgeber mutmaßlich zum Sex zwingt, sofort an der Hand nehmen und sie zu einer dieser Hilfseinrichtungen bringen.
Machen die Redaktion der Krone und Gerti Senger nicht.
Lieber suggerieren sie, die Betroffene würde das des Geldes wegen machen und hätte jetzt Gewissensbisse. Das ist verantwortungslos.
Wenn hier jemand sich selbst verkauft, sind es Redaktion und Sexkolumnistin.
Die Botschaft ist fatal
Und sie verkaufen alle Frauen, die von ihrem Chef sexuell genötigt werden, obendrein.
Die Krone stellt es so dar, als sei das alles ganz freiwillig und eine reine Güterabwägung. Das ist es in den seltensten Fällen.
Die Botschaft von Sengers Antwort ist laut und deutlich. Liebe Frauen, wenn ihr Opfer sexueller Belästigung oder sexueller Nötigung in der Arbeit werdet, lasst euch das gefallen. Dann gibt’s Kohle. Und wenn nicht, opfert halt euren gut bezahlten Arbeitsplatz. Helfen wird euch so oder so niemand.
Dass Leserbrief und Antwort auch das Bild vermitteln, dass Osteuropäerinnen sexuelles Freiwild sind, sei nur nebenbei erwähnt.
Vielleicht ist der Brief gekürzt. Ändert nichts an der Sache
Natürlich, es besteht die Möglichkeit, dass der Brief gekürzt wurde und im Original nicht ganz so dramatisch klingt.
Vielleicht war das Ganze ein offenes Arrangement zwischen der Betroffenen und ihrem Chef. Oralsex gegen Taschengeld. Sie will aus nachvollziehbaren Gründen raus aus diesem Arrangement.
Ändert an der Sache herzlich wenig. Die Situation wäre auch in diesem Fall furchtbar.
Sexuell ausgebeutet hat der Chef sie so oder so. Das mag nicht strafbar sein. Hilfe bräuchte die Betroffene auch in diesem Fall.
Die hat ihr die Krone verweigert.
Normale Menschen hätten anders gehandelt.
Dieser Kommentar erschien auch bei den Ruhrbaronen.