Nicht nur in Beograd sind gestern Menschen gegen Staatspräsident Aleksandar Vučić auf die Straße gegangen. Auch in Wien haben Dijaspora-Serbinnen- und Serben ihre Unzufriedenheit mit den Zuständen in der alten Heimat zum Ausdruck gebracht. Balkan Stories hat einen kleinen Beitrag geleistet.
Es waren ungefähr 60 Menschen, die sich vor der serbischen Botschaft in Wien versammelt hatten.
Serbinnen und Serben aus allen Landesteilen, die zum Teil seit Jahrzehnten in Wien leben.
Und sogar einer, den ich vor zwei Jahren getroffen hatte, als ich Material für eine Reportage über die damaligen Proteste in der serbischen Hauptstadt sammelte.

60 Mal traf also der Slogan zu „1od5miliona“. Eine/Einer von fünf Millionen.
Wir wurden beobachtet
Die Staatsmacht war nicht weit weg.
Österreichische Polizistinnen und Polizisten achteten ausnehmend freundlich und kooperativ, dass uns nichts passierte und alle Auflagen eingehalten wurden.
Die serbische Staatsmacht war anscheinend auch vertreten.
Ein mittelalter Mann mit grauer Mähne und Brille fotografierte alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Laut einem der Organisatoren war er auch bei der Demo im Februar dabei und tat das Gleiche.
Mir fiel auch auf, dass er sich anders verhielt als die anderen Menschen, die hier waren.
Er hielt sich immer etwas abseits und redete mit niemandem.
Dass der mir Unbekannte für einen serbischen Nachrichtendienst arbeitet, erscheint mir plausibel.
Vielleicht hat er aber auch nur gröbere Kontaktschwierigkeiten.
Mehr könnt ihr HIER nachlesen.
Meine Rede über Medienfreiheit in Serbien
Auf Einladung der Veranstalter habe auch ich eine Rede auf diesem Protest gehalten und untersucht, warum die Medienfreiheit in Serbien nicht funktioniert.

Ihr könnt diesen Beitrag HIER nachlesen und HIER in Übersetzung.
Ich will das an dieser Stelle nur kurz zusammenfassen: Dass man in Serbien – wie auch in Bosnien – nur eingeschränkt von Medienfreiheit sprechen kann, ist die Einschätzung so gut wie aller unabhänigen Beobachterinnen und Beobachter.
Das hat viele Ursachen. Es allein auf Aleksandar Vučić zurückzuführen, wäre falsch.
Klar ist, Vučić hat die Situation nicht geschaffen.
Schon bevor er an die Macht kam, waren wichtige Medien in Staatsbesitz, gab es politische Einflussnahme, Einschüchterungen und wirtschaftliche Abhängigkeiten.
Diese Situation hat er für seinen Machterhalt genützt. Seitdem ist die Unabhängigkeit serbischer Medien geringer geworden, auch ihre wirtschaftliche Lage hat sich verschlechtert.
Da ich auch bei diesen Protesten aufgetreten bin, halte ich diesen Blogeintrag kurz.
Teil eines Ereignisses zu sein und darüber zu berichten – und vielleicht noch so zu tun, als berichte man unabhängig – geht nicht.
Aber ein paar Eindrücke möchte ich meinen Leserinnen und Lesern doch noch vermitteln.
Titelfoto: (c) Katarina Kaupa.