Das große Scheitern

Es ist nicht alles schlecht. McDonald’s hat sich mit 31. Dezember 2022 aus Bosnien zurückgezogen. Alle fünf Filialen blieben zu Silvester zu – auch eine der symbolträchtigsten des Fast Food-Konzerns.

Die Glastüren des Fast Food-Restaurants in der Ulica Maršala Tita sind seit Silvester geschlossen.

Eine der symbolträchtigsten Filialen von McDonald’s weltweit ist nicht mehr.

Sie war die wohl einzige, die eine Adresse mit dem Namen eines ehemaligen sozialistischen Staatschefs hatte.

Für aufmerksame Beobachter repräsentierte diese Filiale 30 Jahre (ex-)jugoslawischer Geschichte in einem Bild.

Den Sozialismus entsorgt, das Land blutig zerteilt und was hat man gekriegt?

Eine McDonald’s-Filiale.

Seit einigen Wochen verkörpert diese Filiale auch das Scheitern kapitalistischer Träume.

Per Gerichtsbeschluss war McDonald’s hier delogiert worden.

Der bosnische Lizenzinhaber für den US-amerikanischen Konzern hatte jahrelang keine Miete für die Filiale bezahlt.

Vermieter war übrigens ein weiterer internationaler Konzern – die Raiffeisen Bank.

Das Geschäft dürfte schlechter gelaufen sein als erwartet.

Das dürfte ihn die Lizenz gekostet haben, berichtet die italienische Nachrichtenagentur ANSA.

Seit 31. 12. 2022 haben alle fünf Filialen in Bosnien – drei in Sarajevo und zwei in Mostar – geschlossen.

Dem Vernehmen nach sucht McDonald’s einen neuen Lizenznehmer, berichtet etwa das Nachrichtenportal klix.ba.

McDonald’s-Burger sind hier eigentlich überflüssig

Das erscheint von der Umsatzseite her reichlich optimistisch, um es vorsichtig auszudrücken.

Der ex-jugoslawische Markt ist für den US-Konzern besonders hart.

Die Pljeskavica ist zentraler Bestandteil des örtlichen Fast Food, und vor allem traditionell.

Sie ist im Wesentlichen nichts anderes als ein Burger mit mehr Gewürzen und in lokalem Brot, und ist von Rijeka bis Skopje an fast jeder Ecke zu haben.

Gleichzeitig haben qualitativ hochwertigere Burger nach US-Vorbild in den vergangenen Jahren einen kleinen Siegeszug am Balkan angetreten – verkauft in lokalen Fast Food-Shops.

McDonald’s ist mit seiner Massenware eingekeilt zwischen Pljeskavica und hochwertigerer Ware.

Er hat sich in den vergangenen Jahren aus mehreren Märkten zurückgezogen.

In Bosnien gibt es etwa im serbisch dominierten Teilstaat Republika Srpska keine einzige Filiale mehr.

Vom kurzlebigen Restaurant in Banja Luka kündigen nur vereinzelte, verblichene und überwucherte Werbeschilder entlang von Straßen.

Aus dem heutigen Montenegro hat sich der Konzern nach einem aufsehenerregenden Experiment nach wenigen Tagen zurückgezogen.

2001 erprobte McDonald’s den Markt in Podgorica mit einem mobilen Container-Restaurant. Und zog nach wenigen Tagen wieder ab.

Der Markt rechne sich nicht, befand der Eigentümer Kroger. Auch Interventionen der US-Botschaft sollen nichts an dem Entschluss geändert haben.

Dass McDonald’s in Serbien, Kroatien und Slowenien mit einer Handvoll von Filialen überlebt, ist vermutlich weniger seinem kulinarischen Angebot geschuldet als der Tatsache, dass eine regionale Besonderheit die sonstigen Nachteile am Markt teilweise aufwiegt.

McDonald’s als Verkörperung des kapitalistischen Konsumparadieses

In ehemaligen sozialistischen Staaten gilt der US-Konzern auch als Verkörperung des kapitalistischen Versprechens vom Konsumparadies für alle.

In Moskau standen die Menschen 1988 stundenlang Schlange, als der Konzern die erste Filiale in der UdSSR eröffnete.

In Beograd war es im gleichen Jahr nicht anders.

An der Filiale am Trg Slavija ist heute eine Gedenkplakette angebracht.

Auch in Bosnien war der Rummel groß, als die erste Filiale im Jahr 2011 in Sarajevo aufsperrte.

Den ersten Burger soll der damalige Bürgermeister Alija Behmen gegessen haben.

So konnte man zeigen, dass man zur kapitalistischen Welt gehörte und an ihrer Kultur teilhaben wollte.

Dass sich die gleiche kapitalistische Welt wie ein Schwarm Heuschrecken auf die ehemals sozialistischen Staaten gestürzt hatte und sich halbe Wirtschaften zum Nasenrammel unter den Nagel riss – geschenkt.

Es blieb MacDonald’s, und mit ihm das Versprechen von Reichtum durch Konsum.

Im Kapitalismus zählt Marketing in der Regel nicht nur mehr als Realität.

Es erschafft Traumwelten, wenngleich die gebaut sind auf der Ausbeutung von Arbeitskräften und der Zerstörung von Umwelt.

Manchmal wird offen sichtbar, dass es nur Traumwelten sind.

Wie bei McDonald’s Bosnien.

Hier geht es auch um das Prestige

Dass der Konzern das Land aufgeben wird, erscheint freilich unwahrscheinlich.

Hier geht es auch um das Prestige des größten Gastronomiekonzerns der Welt.

Zumal in Bosnien zumindest der bosnjakisch-kroatische Teilstaat Federacija ein enger, inoffizieller, Verbündeter der USA ist.

Und trotz seines großen Scheiterns und mittelmäßiger Massenburger hinterlässt McDonald’s in Bosnien auch Bedauern.

Immerhin, das sei fairerweise erwähnt, galten die örtlichen Arbeitskräfte als vergleichsweise gut bezahlt – nach bosnischen Verhältnissen, freilich.

Und so werden sich wohl auch beim wahrscheinlichen nächsten Anlauf in Bosnien Menschen finden, die für den Konzern Dinge verkaufen, die dort eigentlich kaum jemand will oder braucht.

Ein Gedanke zu “Das große Scheitern

  1. Die McDonald’s-Filialen in Kroatien, Slowenien und Serbien überleben vielleicht auch nur wegen der internationalen Touristen.

    Wenn man das örtliche Angebot kennt/versteht, gibt es wirklich kaum einen Grund, zu McDonald’s zu gehen. Anders als in Nordamerika sind sie nicht einmal besonders billig (bzw. verstecken die wenigen billigen Angebote ganz tief unten auf der Speisekarte).
    Aber wenn man als Ausländer nach 18 Stunden im Zug in Belgrad ankommt, sich nicht auskennt, kaputt, müde und hungrig ist, und dann auch noch alles auf Kyrillisch ist, kann ich schon verstehen, dass man zuerst zu McDonald’s, Burger King oder Subway geht.

    Ich bin jemand, der bei Essen – zu meinem eigenen Bedauern – nicht allzu experimentierfreudig ist, und gerade wenn ich wo hinkomme, wo ich gar nichts verstehe, dann tendiere ich auch zu Pizza oder Kebab, und notfalls McDonald’s. Außerdem sind das manchmal die Läden, die nachts am längsten offen haben. (Weshalb ich kürzlich am Hauptbahnhof in Berlin um Mitternacht zu McDonald’s musste.)

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