Das Team von CINS bei der EPP-Preisverleihung. Foto: Jan Boeve/EPP

Sie sind Europas beste Investigativjournalisten

Das Team des Zentrum für Investigativjournalismus Serbien (CINS) hat den European Press Prize 2017 gewonnen. Die Journalistinnen und Journalisten haben mit hartnäckiger Recherche und einer Serie von Artikeln Korruption, Vertuschung und einem Klima der Einschüchterung getrotzt.


Sie sind das Centar za istraživačko novinarstvo Srbije (CINS): Bojana Bosanac, Anđela Milivojević, Ivana Jeremić, Milica Stojanović, Milica Šarić und Dino Jahić. Sie dürfen sich seit dem Wochenende als die besten Investigativjournalisten Europas bezeichnen.

Das Team hat die Jury des prestigeträchtigen European Press Prize mit Artikeln über die alltägliche Korruption zuhause beeindruckt und sogar die Autoren geschlagen, die die Panama Papers öffentlich gemacht hatten.

Der Titel der Eingabe hätte bescheidener und sachlicher kaum sein können. „Series of Articles on Corruption And Organized Crime„. Acht Monate lang hatte CINS an diesen Geschichten gearbeitet.

“A testimony to the work of really good, really digging reporters serving their community”, urteilte das Komitee, das die Short List für den EPP erstellte, aus der eine hochkarätige Jury den Sieger kürte.

Die Jury war kaum zurückhaltender in ihrer Einschätzung.

There was open admiration for the unflagging work and range of investigations mounted by CIJ journalists in Serbia – stories that exposed corruption charges framed and then forgotten; cases allowed to sink into the sands of time; a judiciary vulnerable to all manner of official and unofficial pressure; indeed, a legal system that promise justice but too often fails to deliver it.

These are revelations of the utmost importance to Serbian society. They fulfil the most basic promise of investigative journalists to their readers: they lift the curtains of corruption and let the light shine in.

Begründung der EPP-Jury

Endemische Korruption, viel Vertuschung

Angesichts der Arbeitsbedingungen kritischer Journalistinnen und Journalisten in Serbien und den meisten anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens erscheint selbst dieses Lob noch schwach.

Korruption gilt als endemisch.

Die meisten Medien werden direkt oder indirekt von politischen Parteien oder Konzernen kontrolliert. Unabhängige Medien sind rar.

Im ganzen Kosovo etwa gibt es zwei Zeitungen, die als unabhängig gelten. In Serbien sieht es nicht viel besser aus.

Investigativjournalismus bleibt unabhängigen Initiativen und Kollektiven wie CINS oder Balkan Insight überlassen, die nur beschränkte Reichtweite haben. Unangenehme Enthüllungen bleiben oft aufs Internet beschränkt und finden schwer ihren Weg in Zeitungen oder ins Radio.

Die größeren Fernsehsender, Hauptinformationsquelle für die meisten Menschen, haben großteils ein Naheverhältnis zum neu gewählten Präsidenten Aleksandar Vučić.

Dass unabhängiger Journalismus unter diesen Bedingungen wenig Druck entfalten kann, dämpft den Enthusiasmus von Polizei und Staatsanwaltschaften, bei bekannt gewordenen Korruptionsfällen Ermittlungen einzuleiten oder Verdächtige auszuforschen. Um es vornehm auszudrücken.

Das illustriert der Skandal um die Belgrade Waterfront vielleicht am deutlichsten. Im April 2016 rissen 30 maskierte Unbekannte eines Nachts einige Gebäude in Nähe des Sava-Ufers ab. Sie wären dem Stadtentwicklungsprojekt im Wege gestanden. Die Besitzer hatten sich geweigert, zu verkaufen.

Erst nachdem es zwei Monate lang Demonstration um Demonstration gab, gab der damalige Ministerpräsident Vučić zu, dass wahrscheinlich Vertreter der Stadt Beograd dahinter steckten. Er werde aber die Staatsanwaltschaft nicht drängen, schneller zu ermitteln, sagte er damals.

Gerichtsverfahren gab es bis heute keine.

Auch Beograds Bürgermeister Siniša Mali ist nach wie vor im Amt. Seine Frau nannte ihn während des Scheidungsverfahrens im Februar als Hauptauftraggeber der Unbekannten, die die Häuser in Savamala abgerissen hatten.

Mali, offiziell parteiunabhängig, wurde auf Vorschlag Vučićs Partei SNS zum Bürgermeister gewählt.

Und dann gibt es noch die Tragikomödie in 127 Akten, offiziell bekannt als Prozess gegen Mira Marković.

Der Witwe von Slobodan Milošević wird wegen Korruption und Amtsmissbrauchs der Prozess gemacht. Seit 2004.

Zeugen, die durch Abwesenheit glänzen, eine Verteidigung, die andauernd Vertagungen beantragt und ein zumindest überfordertes Gericht lassen ein Urteil in nächster Zeit nicht erwarten.

Marković ist das egal. Sie hat sich nach Russland abgesetzt und hat dort seit 2007 politisches Asyl.

Kampf gegen Korruption seit 2007

Gegen diese Umstände recherchiert und schreibt CINS seit der Gründung 2007. Erfolgreich. In fünf aufeinanderfolgenden Jahren hat das Team in Serbien Auszeichnungen für seine Arbeit bekommen.

Der EPP ist der bislang prestigeträchtigste Preis und sorgt auch für internationale Aufmerksamkeit.

„Wir sind ein Team und wir machen alle unseren Recherchen als Team“, sagt Chefredakteur Dino Jahić.

„Wir haben nicht erwartet, diese Auszeichnung zu gewonnen. Es war eine große Ehre, gemeinsam in einer Gruppe mit ausgezeichneten Journalisten und gemeinsam mit großartigen Geschichten nominiert zu werden. Den Preis zu gewinnen, das ist unglaublich, vor allem, weil Menschen in Serbien jetzt auf der Straße für Medienfreiheit und unabhängigen Journalismus demonstrieren.“

Man sehe den Preis als Anerkennung und als Ermutigung für weitere Arbeit, sagt Jahić.

CINS finanziert sich nach eigenen Angaben zur Gänze aus Spenden und Förderungen und verzichtet bewusst auf Einnahmen durch Werbung.

Titelfoto: Bojana Bosanac, Anđela Milivojević, Ivana Jeremić, Milica Stojanović, Milica Šarić und Dino Jahić erhalten den EPP in Amsterdam. Bild: Jan Boeve/EPP

 

 

 

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