In Bosniens bekanntesten ungeklärten Mordfall scheint Bewegung zu kommen. Fast sechs Jahre nach dem gewaltsamen Tod von David Dragičević sollen Festnahmen unmittelbar bevorstehen.

Gerechtigkeit für David Dragičević scheint so nahe zu sein wie nie seit dem grauen Tag im März 2018, als die Leiche des 21-Jährigen in Banja Luka gefunden wurde.

Oder zumindest der Weg dorthin.

Die bosnische Bundesstaatsanwaltschaft soll angeordnet haben, mehrere Verdächtige festzunehmen.

Das berichteten in den vergangenen Tagen zahlreiche bosnische Medien, etwa Radio Sarajevo, N1, und das bekannte kritische Online-Portal aus Banja Luka, Buka.

Davids Vater Davor Dragičević zeigt sich vorsichtig optimistisch, ebenso sein Anwalt Ifet Feraget.

„Wenn der Tag der Festnahmen konnt, werden wir sehen, dass die Bundesstaatsanwaltschaft Dinge tun kann, die die Behörden in der Republika Srpska (RS) nicht tun durften“, sagte Davor in einer ersten Reaktion.

Er bezichtigt mehrere Spitzenbeamte und Politiker des serbisch dominierten Teilstaats RS, für den Mord an seinem Sohn verantwortlich zu sein oder mitgeholfen haben, den Mord zu vertuschen.

Polizei stellte Davids Tod zuerst als Unfall dar

Tatsächlich hatten die Behörden der RS Davids Tod im März 2018 zunächst als den Unfalltod eines jungen Mannes dargestellt, der mit Drogen vollgepumpt gewesen sei.

Erst eine zweite Obduktion mehrere Monate später im Beograder Militärspital ergab, dass David gewaltsam ums Leben gekommen war.

Der Mordfall David Dragičević steht gemeinsam mit dem Mordfall Dženan Memić für Behördenversagen und Korruption in Bosnien.

Größte Protestbewegung in Bosnien seit dem Krieg

Die Väter der Mordopfer haben die größte Protestbewegung in Bosnien seit dem Krieg gegründet, die unter den Titeln „Pravda za Davida“ beziehungsweise „Pravda za Dženana“ zeitweise zehntausende Menschen auf die Straße gebracht hatten.

Im Fall Dženans ist mittlerweile gerichtlich erwiesen, dass Ermittler zumindest an der Vertuschung des Mordfalls verwickelt waren. Balkan Stories berichtete.

Im Fall Davis haben Behörden- und Regierungsvertreter öffentlich jegliche Mitschuld am Mord des jungen Mannes bestritten.

Ob sich das in den nächsten Tagen ändert, wird sich weisen.

Das unabhängige Portal Gerila.info berichtet, die bosnische Bundesstaatsanwaltschaft habe die Festnahme mehrerer Politiker und Beschäftigter des Innenministeriums der Republika Srpska angeordnet.

Sollte diese Information stimmen, könnten sich mehrere praktische Probleme zu geben.

Auf Anweisung des nationalistischen Präsidenten der RS, Milorad Dodik, kooperieren vor allem Polizei- und Justizbehörden der RS nur eingeschränkt mit denen des Bundesstaats und jenen des zweiten Teilstaats, der bosnjakisch-kroatischen Federacija.

Es ist davon auszugehen, dass in Banja Luka Haftbefehle aus Sarajevo nicht übermäßig enthusiastisch vollzogen werden.

Zumal, wenn sie – mutmaßlich – führende Polizisten und Spitzenpolitiker in Untersuchungshaft bringen sollen.

Der lange Weg zur Gerechtigkeit

Zudem sind Haftbefehle oder Festnahmen kein Schuldbeweis.

Sie sind nur ein Hinweis, dass eine Staatsanwaltschaft die Schuld von Verdächtigen für wahrscheinlich hält.

Sollten weitere Ermittlungen wie etwa Verhöre der Verdächtigen handfestere Beweise ergeben, erhebt die Staatsanwaltschaft gegebenenfalls Anklage.

Über einen solchen Schritt wird in den Medienberichten über die bevorstehenden Festnahmen aktuell nicht spekuliert.

Ob die Verdächtigen schuldig sind, kann nur ein ordentliches Gericht in einem Urteil klären.

Bis dahin scheint es im Fall David Dragičević noch ein langer Weg zu sein.

Dennoch, mit den angeblich bevorstehenden Festnahmen scheint eine Klärung des Mordes an David so nahe zu sein wie noch nie.

Als einziges deutschsprachiges Medium berichtet Balkan Stories regelmäßig über aktuelle Entwicklungen und die Hintergründe im Mordfall David Dragičević. Mehr könnt ihr HIER nachlesen.

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