Am Dienstag ist Dan Republike – der höchste Feiertag im ehemaligen Jugoslawien. Er gedenkt der Wiederrichtung Jugoslawiens am 29. 11. November in Jajce in Bosnien. Balkan Stories hat den Ort besucht, an dem Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg wiedergeboren wurde.
Ein Touristenführer erklärt einer Gruppe von Pensionisten, was sie im Inneren des kleinen Gebäudes unweit des berühmten Wasserfalls von Jajce erwartet. „Muzej II Zasjedanja AVNOJ-a“ steht drauf: „Museum der zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates zur Befreiung Jugoslawiens“.
Es ist die Geburtsstätte des Neuen Jugoslawien, gegründet in diesem Gebäude am 29. November 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg. Die Partisanen kontrollierten damals umfangreiche Gebiete Jugoslawiens, das nach dem Angriff der Wehrmacht 1941 zerschlagen, aufgeteilt und geschunden worden war.
Unter widrigsten Bedingungen waren zu dieser Konferenz 142 Delegierte des AVNOJ aus fast allen Teilen des Landes angereist. Aus Slowenien, Kroatien, Bosnien selbst, Serbien, Montenegro. Einzig aus Mazedonien und dem Sandžak kamen keine Vertreter, heißt es auf den Erklärtafeln im Museum.
Nicht aus Mangel an Willen. Die Delegierte mussten feindliche Linien überwinden und den harschen Winter in den Bergen. Das gelang nicht immer.
Wie das Museum aussieht, könnt Ihr in diesem Video sehen.
An die zwei Dutzend Mitglieder hat diese Touristengruppe heute.
Sie kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Woher, kann ich in der Eile nicht erfragen. So gut wie alle Besucher des AVNOJ-Museums in Jajce kommen aus den Nachfolgestaaten des Landes, das hier am 29. 11. 1943 gegründet worden war. In der Regel aus Bosnien, Serbien und Slowenien.
Im Vergleich zu früher sind es weniger geworden. Bis zu 30.000 Besucher waren es, als es Jugoslawien noch gab. Heute ist es ein Bruchteil.
Die Erinnerung an einen einigen Staat der Südslawen – oder der meisten Südslawen – verblasst, zumal die Erinnerung an den förderativen Staat, auf den sich die Delegierten in der Sitzung in Jajce einigten.

Gegenstück zum Alten Jugoslawien – aber vorerst keine Republik
Ein Staat, der als bewusstes Gegenstück zum Alten Jugoslawien konzipiert war, das zweieinhalb Jahre davor untergegangen war, vorher ausgehöhlt von klarer serbischer Dominanz unter der Karađorđević-Dynastie und immer offener faschistischen nationalen kroatischen Ansprüchen.
Ein demokratischer und förderativer Staat sollte es nach Beschluss der Delegierten sein.
Dass er sozialistisch sein würde, galt als unausgesprochener Zusatz. Der Widerstand gegen die faschistischen Besatzer und die ebenfalls faschistischen kroatischen Ustaša wurde klar von Jugoslawiens Kommunisten organisiert und getragen – unter Führung von Josip Broz Tito.

Dass das Neue Jugoslawien eine Republik sein würde, stand zu diesem Zeitpunkt nicht fest. Offiziell, um die britischen Verbündeten bei Laune zu halten, war das Neue Jugoslawien 1943 noch Königreich.
Zur Republik wurde es erst am 29. November 1945 – exakt zwei Jahre nach den Beschlüssen von Jajce.
Zwei Wochen zuvor hatten die Kommunisten die Wahlen haushoch gewonnen, beriefen eine verfassungsgebende Versammlung ein und verjagten den König, der ohnehin nur Symbolfigur gewesen war.

Dass es so ausgehen würde, mag in den Köpfen der kommunistischen Delegierten bei der Sitzung des AVNOJ im November 1943 präsent gewesen sein. Ausgemacht war es keinesfalls. Freilich verbot man sicherheitshalber König Petar II die Rückkehr aus dem Exil in London.
Unmittelbar war die moralische Wirkung am wichtigsten
Dass die breite Widerstandsbewegung des AVNOJ, die NOB als politischer und organisatorischer Arm und die Partisanen als militärischer, den Krieg gewinnen würden, zeichnete sich einigermaßen ab.
Die Deutschen hatten im Sommer entscheidende Niederlagen gegen die Rote Armee erlitten, vor allem in Kursk. Die Italiener hatten vor den Alliierten kapituliert.

Die Četniks als innerjugoslawischer Gegner und zeitweiser inoffizieller Verbündeter der Deutschen waren Ende 1943 nur mehr ein Schatten ihrer selbst, Mörderbande mehr als Armee.
Die Ustaša waren als militärischer Gegner ohnehin nie ernstzunehmen gewesen, ihre Spezialität war das Abschlachten hunderttausender Serben, Juden und Roma.
Dennoch war allen Delegierten klar, dass verlustreiche Kämpfe bevorstünden, bevor das Neue Jugoslawien zur Gänze befreit sein würde. Die Beschlüsse des November 1943 würden erst mittelbar entscheidend werden.
Unmittelbar waren sie von – freilich unbezahlbarer – moralischer Wirkung für Millionen Einwohner Jugoslawiens und für die Verbündeten im Krieg: Großbritannien, die USA und die Sowjetunion.

Die Sache mit der TANJUG
Dass die Botschaft in die Welt hinausgetragen wurde, stellte ein Instrument sicher, dass das Neue Jugoslawien schon im Namen trug: Die TANJUG, die Telegrafske agencije nove Jugoslavije. Ihr Gründer war Moša Pijade, ein enger Verbündeter Titos. Die Agentur existierte erst seit Anfang November.

Sie blieb die offizielle Nachrichtenagentur Jugoslawiens bis zum blutigen Zerfall des Landes. In jugoslawischer Zeit war sie hoch respektiert. Kaum eine Nachrichtenagentur hatte so viele Korrespondenten in so vielen Staaten – Ergebnis der Außenpolitik Titos. Legendär ist auch das TANJUG-Bildarchiv.
Mit dem Beginn des Jugoslawienkrieges in den 1990-ern wurde die TANJUG zum Propagandainstrument des Milošević-Regimes und seiner Nachfolger. Im Vorjahr verkaufte die serbische Regierung die zehnjährigen Nutzungsrechte an der TANJUG für etwas mehr als 600.000 Euro an die Firma Tačno.
Tačno steht im Eigentum von Minacord Media, die dem serbischen Musiker Željko Joksimović und Radiotelevizija Pančevo gehört. Letzteres wiederum gehört Radoica Milosavljević, dem früheren Vorsitzenden der SPS und mittlerweile Großspender von Aleksandar Vučić.
Ein ähnlich ruhmloses Ende erlebte auch das Muzej AVNOJ-a in Jajce.
Als der Krieg in Bosnien tobte, wurde es geschlossen. Erst im Jahr 2008 öffnete es seine Pforten wieder – vor allem dank der Initiative des Historikers Enes Milak, Milak wurde auch neuer Direktor des Museums.
3.000 Menschen reisten zur Wiedereröffnung an, wie der Deutschlandfunk damals berichtete.
Damals galt das als Hoffnungszeichen für den Tourismus in Jajce. Die kleine Stadt in Zentralbosnien hat drei Attraktionen: Die mittelalterliche Festung, den Wasserfall und das Muzej AVNOJ-a.
Letzteres erfreut sich nicht bei allen Einwohnern der mehrheitlich kroatischen Stadt großer Beliebtheit. Die klerikalnationalistische HDZ, Ableger der gleichnamigen Partei in Kroatien hat hier eine Hochburg. Sie will jede Erinnerung an Titos Jugoslawien austilgen.
In der Ulica Maršala Tita, der Straße des Marschall Tito, haben Unbekannte fast alle Schilder mit Hausnummern übermalt. Nur die Ziffern sind noch sichtbar.

Und selbst die offiziellen Gedenkfeiern richten sich mittlerweile mehr nach Opportunität als nach tatsächlichen Jahrestagen. Das Museum etwa feierte bereits am Wochenende.
Hintergründe und Details zum Dan Republike findet ihr auch HIER.
Das ist ein Bericht, den ich lieber nicht mit der Verwandtschaft teile, wenn ich sie denn, trotz allem, was geschehen ist, irgendwann besuchen kommen möchte. Was auch nur ansatzweise mit der „Partisanenherrschaft “ zu tun hat, bringt manche schier um den Verstand und befördert Schaum vor den Mund.🙄
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