Am Dan Republike hat die kroatische Polizei der Gemeinde Jakšič einem Einwohner verboten, die jugoslawische Fahne zu hissen – und die Flagge gleich einkassiert, zumindest vorübergehend. Mehrere Bürger hätten sich in ihren „moralischen Gefühlen“ verletzt gefühlt, begründete die Polizei ihr Vorgehen. Der Betroffene setzt sich in Interviews zur Wehr.
Seit mehr als 20 Jahren wohnt Velimir Meničanin in einer Sackgasse in Jakšič im Bezirk Požega in Slawonien. Seit mehr als 20 Jahren hisst er an jedem 29. November die Fahne Jugoslawiens vor seinem Haus.
Seine Art, am Dan Republike jenes Staats zu gedenken, dem er in seinen Augen so vieles zu verdanken hat. „Jugoslawien hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin“, sagt er gegenüber plusportal.hr.
Am Dan Republike 2022 setzte die kroatische Polizei dem Gedenken an für viele bessere Zeiten ein Ende. Die offizielle Stellungnahme, zitiert von plusportal, liest sich gelinde gesagt nach Willkür.
„U utorak 29. studenoga 2022. tijekom dana u mjestu Jakšić u Kolodvorskoj ulici, 47-godišnjak je na prednjem dijelu svoje kuće do ulice istaknuo zastavu bivše države Jugoslavije, čime je vrijeđao moralne osjećaje građana. Protiv 47-godišnjaka slijedi optužni prijedlog zbog počinjenog prekršaja iz Zakona o prekršajima protiv javnog reda i mira.“
„Am Dienstag, dem 29. November, hisste tagsüber ein 47-jähriger Mann in der Bahnhofstraße in der Gemeinde Jakšić die jugoslawische Fahne straßenseitig vor seinem Haus, und verletzte damit die moralischen Gefühle der Bürger. Der 47-jährige wird nach dem Gesetz gegen Ordnungswidrigkeiten wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Friedens angezeigt“.
Gesetzliche Grundlage für Polizeieinsatz ist äußerst fragwürdig
Ihm droht eine Geldstrafe. Die Höhe: 50 bis 200 DM, ersatzweise abzuleisten mit bis zu 30 Tagen Haft.
Das Gesetz aus den frühen 1990-ern ist nach wie vor in Kraft, wurde offenbar nie angewandt und nicht an aktuelle Gegebenheiten angepasst. Es überrascht, dass es den örtlichen Polizisten überhaupt bekannt ist.
In anderen Worten: Die gesetzliche Grundlage für den Polizeieinsatz ist selbst bei wohlwollendster Auslegung äußerst fragwürdig.
Die Fahne hat die Polizei bei der Gelegenheit beschlagnahmt.
Jugoslawische Fahnen und andere Symbole Jugoslawiens sind in Kroatien nicht verboten. Jede und jeder darf sie nach Belieben zeigen.
Es gibt auch kein Verbot, die jugoslawische Fahne am Dan Republike zu hissen, dem höchsten Feiertag Jugoslawiens.
Bei verbotenen faschistischen Symbolen schaut die kroatische Polizei gerne weg
Streng verboten sind Ustaša-Fahnen, Hakenkreuze und andere eindeutig faschistische Symbole.
Gegen diese strafrechtlich verbotenen Symbole geht die kroatische Polizei offenkundig deutlich lascher vor als gegen erlaubte jugoslawische Fahnen.
Bei praktisch jedem nationalistisch aufgeladenen Feiertag zeigen Kroatiens Neo-Ustaša offen Uniformen, lassen eindeutige Fahnen fliegen, singen eindeutige Lieder. Dass die Polizei einschreitet, ist so gut wie nie dokumentiert.
Das sagt auch Katarina Peović von der linken kroatischen Partei Radnika Fronta in einer ersten Reaktion über den Vorfall: „Die Polizei geht fast nie gegen Ustaša-Fahnen vor. Neben dem moralischen Empfinden und dem Anstand verletzen diese übrigens auch das Gesetz“.
Wer Velimir Meničanin und seine erlaubte jugoslawische Fahne der Polizei gemeldet hat, ist unklar. Den Beamten habe jedenfalls ein „Beweisfoto“ vorgelegen.
„Wessen Gefühle soll ich verletzt haben?“, sagte er in seinem Interview mit plusportal. „Es kann nur jemand in seinen Gefühlen verletzt worden sein, der verletzt werden wollte.“ Das seien etwa Kriegsverbrecher.
Der Fall bekommt landesweite Aufmerksamkeit
Man könnte den Fall als Provinzposse abtun, allenfalls als einen aus dem Ufer laufenden Konflikt in einer Stadt mit 4.000 Einwohnern.
Allein, in Kroatien hat er Schlagzeilen gemacht. Während die meisten Medien mit Irritation über das Vorgehen der Polizei berichten, greift das nationalistische Portal Narod Meničanin an. Die jugoslawische Fahne habe ein „eine stürmische Reaktion der Nachbarn“ ausgelöst, heißt es dort.
Das Sturmgeschütz der kroatischen Rechten fordert bei der Gelegenheit auch gleich wieder, dass jugoslawische Symbole verboten werden.
Hämisch verzerrt werden auch die Schilderungen Meničanins über die offenbar regelmäßig zu sehenden Ustaša-Fahnen- und Symbole in Jakšič, in dessen Gemeinderat die klerikalnationalistische HDZ eine absolute Mehrheit hat.
Es sei unklar, wen er damit gemeint habe, schreibt Narod.hr.
Als ob es keine einschlägigen Fahnen oder Graffiti mit Ustaša-Us in Kroatien gebe. Mal weniger, und mal mehr. je nach lokalen politischen Gegebenheiten.
Bisher habe er niemanden angezeigt, der die – strafrechtlich verbotenen – Ustaša-Fahnen gehisst habe, sagt Velimir Meničanin in seinem Interview. Auch, so spürt man, um keine Konflikte in der kleinen Gemeinde heraufzubeschwören.
Das könnte sich bald ändern. Wenn Rabiatnationalisten gemein sein können, könne er es auch, meint er sinngemäß.
Velimirs Fahne wird wieder fliegen
Am Dan Republike, dem Gedenktag für die Neugründung Jugoslawiens, wird er auch nächstes Jahr wieder eine jugoslawische Fahne hissen, sagt er. Diesmal freilich im Hof.
Damit die moralischen Gefühle der (Neo-)Ustaša nicht wieder so verletzt werden, dass die Polizei einschreitet.
Ob die Polizei Meničanin bis dann seine erlaubte und von ihr beschlagnahmte Fahne zurückgeben wird, wird sich weisen. Eine Quitting über die Beschlagnahme hat sie ihm wenigstens ausgestellt.
Wenigstens in diesem Punkt hat sich die örtliche Polizei ans Gesetz gehalten.
Was am Dan Republike, dem 29. November, gefeiert wird, könnt ihr im Archiv von Balkan Stories nachlesen.
Titelfoto: Symbolbild
Guter Mann. Hoffentlich wird ihm nicht aufgelauert oder Schlimmeres.
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Hat dies auf akinblog rebloggt.
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