Der Bürgermeister von Mostar, Mario Kordić, sorgt mit seinen Angriffen auf die antifaschistische Befreiungsfeier in Mostar am Samstag für bosnienweite Empörung. Zuerst hatte Kordić versucht, Gedenkfeier für die Befreiung der Stadt von der faschistischen Besatzung im Jahr 1945 zu verhindern. Nach der Feier warf er den Antifaschisten vor, „nicht zur zivilisierten und demokratischen Gesellschaft“ zu gehören. Kordić ist Politiker des bosnischen Ablegers der kroatischen klerikalnationalistischen HDZ.
Was man bekommt, wenn man Kellerfaschisten wählt, sieht man dieses Wochenende in Mostar, der Hauptstadt der Hercegovina.
Mario Kordić, Bürgermeister der geteilten Stadt, ließ eine Tirade gegen die Organisatoren und Teilnehmer der antifaschistischen Befreiungsfeier vom Samstag los, wie man sie eigentlich nur aus autoritären Regimen kennt.
Die mehr als tausend Menschen, die am Samstag der Befreiung Mostars von deutscher Besatzung und Ustaša-Terror begingen, gehören für ihn nicht „zur zivilisierten und demokratischen Gesellschaft“, ließ er gegenüber Medien ausrichten.
Und hatte die Chuzpe, den Antifaschisten auszurichten, sie würden „Hass und Spaltung“ verbreiten und Mostar zu Unrecht als Hort des Neofaschismus darstellen.
Und überhaupt, die bösen Antifaschisten würden die Symbole derer nutzen, die Jugoslawien vom Faschismus befreit hatten – die von Titos Partisanen.
Das geht für einen Politiker gar nicht, der der kroatischen klerikalnationalistischen HDZ Bosniens angehört. Deren Funktionäre häufig ein, sagen wir es höflich, nicht ganz klares Verhältnis zu den kroatischen Ustaša des Zweiten Weltkriegs haben.
Wozu man getrost auch Kordić zählen kann.
Nicht nur, dass er die beschimpfte, die der Befreiung Mostars vom Faschismus im Februar 1945 gedachten – im Vorfeld hatte er sein möglichstes getan, um die Feier zu verhindern oder wenigstens so weit zu behindern wie möglich.
„Fühlen uns wie eingesperrt“
Er ließ etwa den traditionellen Marsch der Antifaschisten durch die Stadt zum Partisanenfriedhof verbieten.
Eine Spezialeinheit der Polizei sorgte dafür, dass sich auch alle daran hielten.
Offiziell waren die Polizisten da, um die Gedenkfeier zu beschützen.
Die mehr als 1.000 Teilnehmer fühlten sich eher eingeschüchtert.
„Wir fühlen uns wie Menschen, die eingesperrt sind, die in ein Lager gebracht werden. Die Assoziationen sind schrecklich“, sagte Sead Đulić. Er ist Vorsitzender des Verbandes bosnischer Antifaschisten und Freiheitskämpfer SABNOR BiH und dessen Mostarer Ablegers UABNOR Mostar.
Auch der Historiker und Antifaschist Dragan Markovina sagte in seiner Rede auf der Befreiungsfeier, die Polizeipräsenz habe nichts mit Sicherheit zu tun.
Eine Bedrohung seien allenfalls 100 bis 150 Neo-Ustaša. „Wenn die Polizei das nicht unter Kontrolle hat, ist sie unfähig“.
Wer die Situation in Mostar nicht kennt, könnte das als Seitenhieb auf einen klerikalnationalistischen Politiker auslegen, dem die Herzen von organisierten Antifaschisten naturgemäß nicht sonderlich zufliegen.
Das Herz der Finsternis
Allein, Mostar ist seit Jahren das Zentrum neofaschistischer Umtriebe in der Hercegovina.
Seitdem Mario Kordić Bürgermeister ist, hat sich das verschärft.
Erst im Juni verwüsteten Neofaschisten den Partisanenfriedhof von Mostar. Balkan Stories berichtete.
Das ist der Friedhof, auf dem die Befreiungsfeier abgehalten wurde.
Nicht einmal für die Feier hatte die Stadt Mostar die zerstören Grabsteine reparieren lassen.
Dass der Friedhof, der auch Denkmal für den antifaschistischen Befreiungskampf in Jugoslawien ist, bis heute zerstört ist, scheint Mario Kordić wenig bis gar nicht nzu stören.
Jedenfalls äußerte er sich am Samstag mit keinem Wort zu diesem Missstand.
Es ist auch kein Geheimnis, dass Neo-Ustaša in West-Mostar offen auftreten. Organisiert sind sie unter anderem über die Ultras des West-Mostarer Fußballklubs, wie diese Reportage von Balkan Stories zeigt.
Im Westteil von Mostar, jenseits des Bulevar, leben überwiegend ethnische Kroaten.
Graffiti mit dem U der Ustaša sind hier an der Tagesordnung.
Wie kroatische Nationalisten den Rest Mostars erpressen
Hier hat auch der bosnische Ableger der kroatischen klerikalnationalistischen Partei HDZ seine mächtigste Hochburg in ganz Bosnien.
Seit dem Krieg betreiben organisierte kroatische Nationalisten gegenüber dem Rest der Stadt eine klare Erpressungspolitik.
Entweder wird einer von ihnen Bürgermeister und die Politik der Stadt tanzt nach ihrer Pfeife – oder sie blockieren die demokratischen Einrichtungen Mostars.
Sogar ordentliche Gemeinderatswahlen verhinderten die örtlichen HDZ-Politiker und noch radikalere Verbündete mehrfach.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte Mostar als Ergebnis der kroatisch-nationalistischen Obstruktion nur einen interimistischen Gemeinderat und nur einen interimistischen Bürgermeister.
Bis im Vorjahr, nach endlich doch durchgeführten Wahlen, der Druck auf die anderen Parteien so groß wurde, dass sie den kroatischen Klerikalnationalisten Kordić als Bürgermeister akzeptierten.
Friends In High Places
Was sicher auch eine Rolle spielte: Dass mittlerweile Christian Schmidt zum Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien geworden war, sozusagen der oberste Verwalter des de facto EU-Protektorats Bosnien und oberste Schiedsinstanz im Land.
Als Hoher Repräsentant kann der CSU-Politiker im Alleingang Gesetze erlassen und unter bestimmten Bedingungen bosnische Politikerinnen und Politiker absetzen.
Diese Macht nützt Schmidt reichlich aus. So erließ er im Alleingang im Oktober ein neues Wahlgesetz für Bosnien – just an dem Tag, an dem die Bosnierinnen und Bosnier die Parlamente der beiden Teilstaaten Federacija und Republika Srpska, das gesamtbosnische Parlament, das bosnische Staatspräsidium und in der Republika Srpska deren Präsidenten wählten.
Ein Schlag ins Gesicht aller bosnischen Demokraten – und weit darüber hinaus.
(HIER eine Analyse der bosnischen Wahlen und des Vorgehens von Schmidt)
Spätestens damals wurden die ausgeprägten Sympathien des CSU’lers Schmidt für die klerikalnationalistische HDZ gleichsam offiziell.
Wesentliche Teile der Wahlrechtsreform entstammten 1:1 einem Positionspapier, das die kroatische Regierung Schmidt übergeben hatte. Die kroatische Regierung wird von der HDZ gestellt – die den kroatischen Separatismus in Bosnien nach Kräften fördert.
Seitdem ist es nicht besser geworden. Erst vor wenigen Tagen forderten etliche hochrangige Diplomaten und Balkanexperten, dass Schmidt als Hoher Repräsentant abberufen wird.
Schmidt fördere mit seinem Agieren nationalistische Kräfte „die an der Aushöhlung und Zerstörung des Staates“ arbeiten, schrieben Schmidts Kritiker in einem Brief an den auswärtigen Ausschuss des deutschen Bundestages. Der Spiegel berichtete.
Einer dieser Geförderten ist der Mostarer Bürgermeister Mario Kordić.
Und wie er an der Aushöhlung und Zerstörung Bosniens arbeitet!
Dass er selbst so tut, als sei ihm eine geeinte Stadt Mostar ein Anliegen, widerlegt er selbst mit seinem Vorgehen gegen Mostarer Antifaschisten und die offenkundige stille Duldung offener neofaschistischer Umtriebe in der Stadt.
Bosnienweit mag ihm mittlerweile eine Welle der Empörung entgegenschlagen. Vielleicht gibt es in den nächsten Tagen sogar die eine oder andere Aufforderung an Kordić, zurückzutreten.
Von einem wird Kordić sehr sicher nicht zur Ordnung gerufen werden: Von Christian Schmidt.
Titelfoto: Imovina Političara, eine Seite der investigativen Journalismus-Plattform CIN.
😡Aber: Ein super Thema für Danijel und Krsto vom Balla-Balla-Balkan. 😎
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Hoffen wir, dass sie es aufgreifen.
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Wir brauchen keine rechtsextreme Politik, sondern eine öko-konservative Politik gemäß Herbert Gruhl. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).
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