In Mostar haben Neo-Ustaša den Partisanenfriedhof am Stadtrand verwüstet. Sie brachen hunderte Zier- und Gedenksteine aus der Anlage und zerschlugen sie. Antifaschisten zeigen sich weit über Bosnien hinaus bestürzt über den neuerlichen Anschlag auf das Denkmal für die Befreier Jugoslawiens.
Irma Baralija hätte sich angenehmere Gelegenheiten vorstellen können, um mit ihren Fotos Aufmerksamkeit im gesamten ehemaligen Jugoslawien zu erlangen.
Die Lokalpolitikerin von der sozialliberalen Partei Naša Stranka dokumentierte als eine der ersten die Zerstörungen, die Unbekannte in der Nacht auf Mittwoch am Partisanenfriedhof von Mostar angerichtet hatten.
Sie brachen hunderte Ziersteine und Gedenktafeln aus der Anlage und zerschlugen sie am Boden.
Nach Angaben des Historikers Dragan Markovina wurden alle 700 Gedenktafeln für die hier bestatteten Partisanen zerstört.
Das sei noch nie vorgekommen.
„Es bricht mir das Herz“, sagt Irma gegenüber Balkan Stories.
Nicht nur ihr. Im gesamten ehemaligen Jugoslawien berichten Medien über den Vorfall, zeigen nicht nur organisierte Antifaschisten ihre Bestürzung.



Die Seite Bljesak.info dokumentiert die Zerstörungen in einem Video.
Sead Đulić, Vorsitzender des Verbandes der Mostarer Antifaschisten, spricht von einem Mostarer Kristalltag – in Anspielung auf die auch „Reichskristallnacht“ genannte Reichspogramnacht in Deutschland am 9. November 1938.
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch
Es bestehen keine Zweifel, wer die Urheber dieses größten Anschlags bisher auf das Denkmal für die Befreier Jugoslawiens im Zweiten Weltkrieg sind.
Der Westteil Mostars ist Hochburg der Neo-Ustaša in der Herzegovina.
In Mostar westlich des Bulevar leben fast ausschließlich ethnische Kroaten. In diesem ethnisch geschlossenen Klima machen sich seit Jahrzehnten nationalistische Umtriebe breit, de facto hat die dortige Lokalpolitik eine Parallelstruktur zur Stadtverwaltung aufgebaut.
Im Dunstkreis der Ultras des – rein kroatischen – Fußballklubs von West Mostar haben sich zahlreiche ohnehin schon im nationalistischen Klima aufgewachsene junge Männer weiter radikalisiert – wie etwa diese Reportage von Balkan Stories zeigt.
Ein Nationalist regiert seit Kurzem Gesamt-Mostar
Nicht besser wird es dadurch, dass nationalistische Kroaten mittlerweile nicht nur den Westteil Mostars regieren sondern mit Mario Kordić ein Mann des bosnischen Ablegers der stramm klerikalnationalistischen kroatischen HDZ im Vorjahr zum Bürgermeister von Gesamt-Mostar gewählt wurde.
Seit seiner Wahl haben sich Anschläge auf den Friedhof gehäuft. Erst im Jänner wurde der Friedhof mit Hakenkreuzen und dem Ustaša-U besprüht.
Kordić tut nichts dagegen.
Das sagt zumindest der lokale Verband der Antifaschisten.
Mehrfach habe man den neuen Bürgermeister um ein Treffen gebeten, um einen besseren Schutz für den Friedhof zu besprechen. Er habe nie Zeit gehabt, wird der Verband von der Plattform klix.ba zitiert.
„Alle in Mostar wissen, wer das Denkmal zerstört hat. Außer der Polizei“
Die Verwüstung des Partisanenfriedhofs sei „die Fortsetzung der Politik, die in Mostar seit 30 Jahren regiert“, sagt Sead Đulić gegenüber Radio Free Europe/Radio Liberty.
Noch deutlicher wurde er auf einer Protestveranstaltung gegen die Zerstörung am Donnerstag. „Alle in Mostar wissen, wer das Denkmal zerstört hat. Außer der Polizei“, sagte Sead.
Und machte klar, dass das ein koordinierter Vorgang gewesen sein muss.
Politisch verantwortlich machte er Dragan Čović, den Vorsitzenden des bosnischen HDZ-Ablegers.
Čović ist ausgesprochener kroatischer Nationalist. Bei den Wahlen im Herbst kandidiert er als kroatisches Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums.
Um seine Wahl sicherzustellen, fordert er, dass nur Kroaten das kroatische Präsidiumsmitglied wählen sollen.
Außerdem fordert Čović einen dritten Teilstaat in Bosnien für die bosnischen Kroaten.
Scharfe Kritik auch von der Akademie der Wissenschaften
Der Anschlag auf den Friedhof ist in seinen Augen nicht nur ein Anschlag auf das Gedächtnis des antifaschistischen Befreiungskampfes in Jugoslawien. Es ist auch ein Anschlag auf das heutige Bosnien.
Der Friedhof gilt auch offiziell als nationales Denkmal Bosniens.
Er wurde in den 60-ern vom wahrscheinlich bekanntesten Architekten Jugoslawiens entworfen, von Bogdan Bogdanović und 1965 eröffnet.
Entsprechend deutlich reagierten am Donnerstag auch die Vertreter der humanistischen Wissenschaften in der Bosnischen Akademie der Wissenschaften.
Der Anschlag auf den Friedhof sei ein „zivilisationsfeindliches Unternehmen“, für das sich „die freigeistige Welt schämt“, heißt es in der offiziellen Stellungnahme.
Deutliche Kritik übten die anerkannten Wissenschaftler auch am politischen Umfeld, das den Anschlag ermöglichte.
„Die Orgie der Zerstörung von etwa 700 Denkmälern auf diesem Friedhof muss mehrere Stunden gedauert haben, und die traurigste Tatsache ist, dass sich auch diesmal niemand gefunden hat, um die Randalierer in ihrem zerstörerischen Unterfangen aufzuhalten.“
Die Täter müssten gefunden und bestraft werden, und Bosniens Denkmäler müssten endlich angemessen vor Vandalismus geschützt werden.
Alle Fotos: (c) Irma Baralija
„Ethnisch geschlossenes Klima“, ja, da wird Widerstand im Keim erstickt, ohne grosses Zutun der Älteren. Man wächst in „Traditionen“ auf, die einen jahrhundertalten Hass am Leben erhalten, bis zum nächsten Krieg. 😦
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