Die WIENWOCHE hat eine neue Leitung – und die hat sich vorgenommen, dass sich Kunst und Kultur wieder mit den sozialen und wirtschaftlichen Wurzeln der Weltstadt beschäftigen. Und damit, wie die Lektionen des Roten Wien im Klimawandel anzuwenden sind. Entscheidenden Einfluss haben zwei junge Künstlerinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien.
„Working Class Ecologies“ heißt das ambitionierte Programm der heurigen WIENWOCHE.
Aus Wiener und aus künstlerischer Perspektive könnte man kaum jemanden finden, der geeigneter wäre für die künstlerische Leitung als Jelena Micić.
Kein Wunder, dass sie soeben in diese Position bestellt worden ist.
Jelena wurde in Knjaževac geboren, im Zentrum ihrer künstlerischen Arbeit steht die Lebensrealität der Arbeiterklasse – und hier vor allem die der Arbeiterinnen.
Regelmäßig prallen hier zwei Welten zusammen: Die Erinnerungen an das sozialistische Jugoslawien mit seiner Arbeiterselbstverwaltung und weitgehender realer Gleichberechtigung von Frauen.
Und die Entrechtung von Migrantinnen und Migranten in Österreich, wobei vor allem Erstere im Fokus von Jelenas Arbeiten stehen.
Erkennbar unter anderem an einem kleinen Detail: Bei der Produktion für ihre Werke trägt Jelena gerne den Kittel, den ihre Großmutter in der Fabrik getragen hat.
Sie hat sich ausgiebig mit dem beschäftigt, was man in der Fachsprache Reproduktionsarbeit nennt.
Das ist vereinfacht gesagt die Arbeit im Hintergrund, die notwendig ist, um sicherzustellen, dass Arbeitskräfte überhaupt ihrer Lohnarbeit nachgehen können.
In patriachalen Gesellschaften – wie es kapitalistische Gesellschaften durchwegs sind – ist diese Arbeit allen Fortschritten zum Trotz praktisch ausschließlich Frauensache.
Jelena hat das selbst erlebt. Als sie nach Wien kam, um an der Akademie der Bildenden Künste zu studieren, hat sich die ausgebildete Skandinavistin und Philosophin in der ersten Zeit als Reinungskraft über Wasser gehalten.
(Siehe auch dieses Portrait auf Balkan Stories)
Back To The Roots
Neben oder über Jelena als künstlerischer Leiterin wird Nataša Mackuljak Geschäftsführerin der WIENWOCHE.
Sie wurde in Brčko geboren und setzt sich unter anderem mit dem Fortleben der Antifaschistischen Frauenbewegung Jugoslawiens in der feministischen Kunst auseinander.
Für die WIENWOCHE war sie in den Jahren 2016 – bis 2018 unter anderem als Kuratorin tätig.
Komplettiert wird das neue Führungsteam der WIENWOCHE mit Deniz Güvensoy.
Sie hat an der Akademie der Bildenden Künste in Istanbul diplomiert und ihre Ausbildung an der Bildenden in Wien vertieft.
In Wien hat sie mehrere Ausstellungen kuratiert und ist im Fabrikraum Kunstverein aktiv.
Bei der heurigen WIENWOCHE ist sie als Kuratorin tätig.
Dieses hochqualifizierte Führungsteam wird all seine Kompetenz brauchen, um das ambitionierte Programm der heurigen Ausgabe des Festivals zu stemmen.
„Working Class Ecologies“ versucht, den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Kapitalismus auf einer möglichst breiten Ebene zu sezieren.
Von den Auswirkungen auf die Arbeiterklasse bis zur Diskriminierung von Migranten kommen hier zahlreiche Aspekte zusammen.
Ihnen allen gerecht zu werden und sie in einen verständlichen Rahmen zu setzen, ist eine enorme Herausforderung.
Nach Wien passt das Konzept wie in wahrscheinlich keine andere Stadt der Welt.
Wo könnte man die Verwerfungen der modernen Welt für die Masse der Menschen besser aus der Sicht der Arbeiterklasse erzählen als hier?
Wo besser diskutieren, dass ein Grüner Kapitalismus Chimäre ist und bleibt und der Klimawandel eben auch und vor allem die Frage nach der ökonomischen Macht ist?
Das ist endlich wieder Rotes Wien.
Angesichts der Diskussionen um den Lobautunnel möglicherweise auch der sozialdemokratischen Stadtregierung anempfohlen.
Die WIENWOCHE beginnt 16. September.
Titelfoto: © Marisel Bongola/WIENWOCHE
Hat dies auf akinblog rebloggt.
LikeLike