Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) will nicht für den Inhalt des Sammelbandes „Islam europäischer Prägung“ verantwortlich sein. Das sagt die Einrichtung sehr deutlich in einer Antwort auf deutliche Kritik an massiven Fehlern und Irrtümern im Kapitel der Schweizer Romanistin Saïda Keller-Messahli. Der Fall schlägt mittlerweile auch in der Schweiz Wellen.
Es ist ein höflich gehaltenes „Rutscht mir doch den Buckel runter“, das der ÖIF in einer Antwort an mehrere Kritiker schreibt.
Diese hatten massive sachliche und historische Fehler im Kapitel der Schweizer Romanistin Saïda Keller-Messahli über den „Islam am Balkan“ moniert.
Sie hatte unter anderem von Bestrebungen gesprochen, Bosnien nach dem Krieg in den 90-ern zu islamifizieren und in den Raum gestellt, unzählige Moscheen seien mit saudischem Geld gebaut worden.
Hellhörig sollte der letzte Absatz machen.
Wie im Impressum des Sammelbands ausgewiesen, geben die einzelnen Beiträge die Sichtweisen der Verfasser/innen auf das Thema wider (sic!) und wurden vom ÖIF nicht verändert. Der Österreichische Integrationsfonds hat die von Ihnen geäußerte Kritik am Beitrag „Islam auf dem Balkan“ der Autorin, Saida Keller-Messahli, weitergeleitet.
Heißt übersetzt: Wir können nichts dafür. Wir sind nicht verantwortlich. Und eigentlich ist es uns wurscht.
Darf beim ÖIF immer jeder alles schreiben?
Man fragt sich als immer weniger geneigter Steuerzahler, ob in Publikationen, die der ÖIF herausgibt und verantwortet, grundsätzlich immer jeder alles schreiben darf, was ihm gerade einfällt. Ohne, dass sich der ÖIF traut, das auch nur auf inhaltliche Plausibilität zu prüfen.
Das Wort Redaktion werden die Leute im ÖIF ja wohl schon einmal gehört haben, oder?
Oder darf man froh sein, wenn eine Institution, die behauptet, wissenschaftliche Arbeit zum Themenkomplex Migration und Integration zu betreiben und zu fördern, die Texte von Autorinnen und Autoren einer Rechtschreibprüfung unterzieht?
Wer hat Keller-Messahli beauftragt?
Was die Frage immer noch nicht beantwortet, wieso der ÖIF Saïda Keller-Messahli überhaupt mit einem Artikel beauftragt hat. Und warum.
Die vage Aussage, man gebe „sowohl Wissenschaftler/innen als auch Praktiker/innen Raum, ihre unterschiedlichen Perspektiven“ blablabla…, ist diese Antwort jedenfalls nicht.
Wobei sich ohnehin die Frage stellt, ob Keller-Messahli als „Praktikerin“ gezählt werden sollte oder gar als „Expertin aus der Praxis“, was in diesem Fall auch ein Widerspruch in sich wäre.
Das ist keine Autoreparatur. Bei der gibt’s Expertinnen und Experten aus der Praxis. Das Thema Islam in Europa ist ein wissenschaftlich sehr komplexes.
Da kann den Expertenstatus nur beanspruchen, wer wissenschaftliches Rüstzeug mitbringt. Historiker, Soziologinnen, Religionswissenschaftlerinnen, Politologen. Sowas in der Art.
Und als Praktikerin kann eine Seyran Ates durchgehen.
Scharfe Kritik aus der Schweiz, laues Lüfterl in Österreich
Keller-Messahli ist das allenfalls in einem sehr engen Kernbereich. Und das ist eindeutig nicht der Balkan. Wie auch die renommierte Neue Zürcher Zeitung schreibt:
„Mut und Expertise sind zweierlei. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man Keller-Messahlis jüngste Publikation liest: einen Überblick über den Islam auf dem Balkan, herausgegeben vom staatlich unterstützten Österreichischen Integrationsfonds.
Saida Keller-Messahli hat sich in ihrem Beitrag das Ziel gesetzt, die «Ursachen für den politisch-religiösen Fundamentalismus» in Bosnien und Kosovo aufzuzeigen. Was folgt, ist ein tollkühner Ritt durch fünfhundert Jahre Geschichte, bei dem die Autorin über Jahreszahlen und Namen strauchelt und vollends auf Abwege gerät, wenn es um die Einordnung und die Bewertung historischer Prozesse geht.“
Vielleicht sucht ja der ÖIF eine Missionarin und keine Expertin.
Spannend übrigens, dass die Causa gerade in der Schweiz so hohe Wellen schlägt.
In Österreich sind die Reaktionen bislang eher verhalten.
Es mögen so gut wie alle Experten den Kopf über den Artikel im Sammelband schütteln. Ein Sturm medialer Entrüstung ist bislang nicht draus geworden.
Was schade ist. Hier geht es darum, dass eine öffentliche Institution unter dem Anschein von Seriosität und Wissenschaftlichkeit und auf öffentliche Kosten aus Nachlässigkeit oder Absicht einschlägige Propaganda betreibt.
Das geht uns alle an.