Schuldig des Völkermords von Srebrenica und Kriegsverbrechen in anderen Teilen Bosniens. So lautet das Urteil des Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) am Mittwoch gegen Ratko Mladić. Mladić war Befehlshaber der Streitkräfte der Republika Srpska während des Bürgerkriegs in Bosnien. Das Schlachten von Srebrenica, dem 8.000 Bosnjaken zum Opfer fielen, hat er selbst angekündigt.
Es ist späte Gerechtigkeit für Angehörigen der 8.000 Opfer des Völkermords von Srebrenica, für die Bosnjaken und für das bosnische Volk, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit.
22 Jahre hat es gedauert, bis der Mann schuldig gesprochen wurde, der verantwortlich ist, dass 8.000 Burschen und Männer in Potočari bei Srebrenica an die Wand gestellt, niedergemäht, auf der Flucht erschossen wurden wie Treibwild bei der Jagd.
Warum sie sterben mussten: Sie waren Bosnjaken. Bosnier muslimischen Glaubens.
Der den Befehl gab zu diesem schlimmsten Verbrechen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg, heißt Ratko Mladić. Der ehemalige JNA-Offizier war von 1992 bis 1996 Befehlshaber der Armee der Republika Srpska (RS).
Das ist seit dem Urteil des ICTY in Den Hague am Mittwoch amtlich.
Zweifel waren kaum möglich
Zweifel an der Schuld des Angeklagten konnt es von Beginn an kaum geben. Diese Videoaufnahmen zeigen, wie Mladić beim Einmarsch bosnisch-serbischer Truppen unter seinem Oberbefehl ankündigt, man werde „Rache an den Türken“ nehmen.
Türken, so nannten Kroaten und Serben lange die Bosnjaken.
Am 12. Juli 1995 begann das Massaker.
Frauen und Kinder ließ Mladić aus der Stadt bringen. Eine perfide Strategie, um die Burschen und Männer in Sicherheit zu wiegen.
Der Massenmord ist auch das dunkelste Kapitel der UN.
Die niederländischen UN-Blauhelme rührten keinen Finger, um die männliche Zivilbevölkerung zu retten.
Srebrenica war zur „UN Safe Zone“ erklärt worden. Eine leere Formel.
Mladićs Apologeten
Dieses Video wird von Apologeten Mladićs gerne als Beweis zitiert, er habe die Zivilbevölkerung schützen worden.
Gemordet hätten demnach entweder wild gewordene serbische Milizen aus Rache für die Kriegsverbrechen bosnischer Einheiten an bosnisch-serbischen Zivilisten von Naser Orić in den Dörfern, die Mladić nicht habe stoppen können, oder bosnische Einheiten, um die Schuld der Armee der Republika Srpska in die Schuhe zu schieben.
Von vielen bosnischen Serben und Menschen in Serbien wird Mladić bis heute als Held verehrt.
Dodik nennt Mladić einen Patrioten
Erst einen Tag vor dem Urteil nannte ihn Milorad Dodik, Präsident der RS, des heutigen serbischen Teilstaats Bosniens, jemanden, der seine Pflicht auf patriotische Weise erfüllt habe.
In regierungsnahen serbischen Medien kursierten in den vergangenen Tagen Verschwörungstheorien. Der schwer kranke Mladić solle von Ärzten ermordet werden.
Kommt Aufarbeitung in Gang?
Der Schuldspruch wird vielleicht eine Aufarbeitung in Gang bringen.

Weite Teile der serbischen Gesellschaft, in der RS wie in Serbien gleichermaßen, weigern sich bis heute die Verbrechen anzuerkennen, die zwischen 1992 und 1996 in ihrem Namen begangen wurden.
Ihnen ist Mladić bis heute Nationalheld.

Dass in Srebrenica ein Völkermord begangen wurde, wird von noch größeren Teilen der serbischen Gesellschaft nicht anerkannt.
Bis heute kommt es politischem Selbstmord gleich, das Massaker als Völkermord zu bezeichnen.
Das könnte mit dem Urteil einfacher werden.
Schuldig gesprochen wurde Mladić auch für zahlreiche weitere Kriegsverbrechen, unter anderem für die Belagerung von Sarajevo. Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Kommt das Urteil zu spät
Der Aufarbeitung steht entgegen, dass das Urteil 22 Jahre auf sich warten ließ.
Mladić hatte sich bis 2011 in Serbien versteckt. Mutmaßlich mit Duldung von zumindest Teilen der serbischen Politik und der serbischen Geheimdienste.
Der Prozess in Den Haag dauerte weitere fünf Jahre.
In dieser langen Zeit ist das Interesse der Öffentlichkeit weitgehend erlahmt.
Die lange Dauer des Verfahrens hat einen wesentlichen Grundsatz des Gerichtswesens verletzt.
Gerechtigkeit muss nicht nur geschehen. Es muss auch sichtbar sein, wie sie geschieht.
In diesem Fall geschah sie in Zeitlupe.
Den Verteidigern des nationalistischen Blutrauschs der Jugoslawienkriege gab das mehr als genug Zeit, ihre revisionistische Propaganda zu streuen.
Das gibt dieser späten Gerechtigkeit einen schalen Beigeschmack.
Video: United States Holocaust Memorial Museum
Titelbild: Ratko Mladić während seines Prozesses vor dem ICTY in Den Hague (c) ICTY, CC-License CC BY 2.0
Dieser Beitrag erschien auch bei den Ruhrbaronen.
Ein Gedanke zu “Späte Gerechtigkeit”