Ihre Heimatstaaten mögen eine noch so unterschiedliche geopolitische Ausrichtung haben – im ehemaligen Jugoslawien beziehen sich immer noch viele Menschen positiv auf die Bewegung der Blockfreien. Im neuen Konflikt zwischen zwei Blöcken kommt der Erinnerung an sie vielleicht auch neue Relevanz zu. In einem Gastbeitrag gibt die Soziologin Katharina Hrvacanin einen spannenden Überblick über die Geschichte der Bewegung der Blockfreien, die untrennbar mit Jugoslawien verbunden ist.
Seit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine durch Russland werden immer wieder starke Spannungen zwischen der NATO und Russland deutlich, einige Politikwissenschaftlerinnen und Politikwissenschaftler sprechen mittlerweile schon von einem neuen Kalten Krieg. Auch am Westbalkan gehen diese Spannungen nicht spurlos vorbei.
Während ein Großteil der Staaten, die zum ehemaligen Jugoslawien gehörten, NATO Mitglieder sind und sich an den Sanktionen gegen Russland beteiligen, lehnt Serbien diese ab. Zur Zeit des Kalten Krieges war das ehemalige Jugoslawien hingegen insgesamt blockfrei. Was dies bedeutete und welchen Einfluss Jugoslawien auf diese Bewegung hatte, ist in Anbetracht der aktuellen Krisensituation noch immer interessant.
Die Entstehung der Bewegung der Blockfreien Staaten
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden immer mehr ehemalige Kolonien unabhängig. So schlossen sich einige afrikanische und asiatische Staaten zusammen, um sich zum Umgang mit der neu erlangten Unabhängigkeit auszutauschen, was zu einer losen Konferenz im Jahre 1954 führte.
Dort verständigte man sich unter anderem darauf sich im herrschenden Ost-West-Konflikt keiner der beiden Seiten (NATO oder Warschauer Pakt) anzuschließen, sondern so weit es geht unabhängig zu bleiben. Diese Einstellung rührte daher, dass man sich mit einer Mitgliedschaft in einem dieser beiden Bündnisse de facto wieder Großmächten unterwerfen würde.
Nachdem einige Jahre nicht weiter viel passierte, kam es auf Drängen Titos zu Gesprächen zur Vorbereitung eines Gründungsgipfels der Bewegung der Blockfreien Staaten. Dieser fand im September 1961 in Belgrad statt.
Warum Jugoslawien?
Der Gründungsgipfel 1961 wurde abgesehen von Jugoslawien fast ausschließlich von ehemaligen Kolonien besucht. Ihre Anliegen unterschieden sich generell von denen Jugoslawiens.
Während das Treffen in den 1950er Jahren auf einen losen Austausch abzielte, wollte Tito in Belgrad einen handfesten Zusammenschluss herbeiführen, was dann auch gelang.
Viele der Teilnehmerstaaten wussten bis zum Moment der Gründung nicht, dass in Belgrad eine neue Bewegung gegründet werden sollte. Titos Wunsch danach kam daher, dass Jugoslawien, welches ein sozialistischer Staat war, ein immer schlechteres Verhältnis zur Sowjetunion hatte und kein Bündnispartner des Warschauer Paktes war. Mit der Gründung einer blockfreien Bewegung konnte das Land eine Rolle auf der Weltbühne spielen.
Jedoch sahen sich die Mitgliedsstaaten der Bewegung nicht als neuer dritter Block an, sondern hofften eine Vermittlung zwischen Ost und West erzielen zu können.

Josip Broz Tito, der erste Vorsitz
Tito, der ab kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges bis an sein Lebensende 1980 Präsident der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien war, erhoffte sich durch die Zusammenarbeit mit den vielen neugegründeten Staaten Einfluss auf die internationale Politik nehmen zu können.
Beim Gründungsgipfel in Belgrad wurde er erster Vorsitzender der Bewegung und blieb dies weitere drei Jahre. Er war bis zu seinem Tod eine sehr respektierte Persönlichkeit innerhalb der Bewegung, was dazu führte, dass Repräsentanten unterschiedlicher Staaten seine Positionen sehr schätzten und sich ihnen anschlossen.
Umgang mit Konflikten
Innerhalb der Bewegung kam es immer wieder zu internen Konflikten.
So ging es um die Teilnahme Paktgebundener Staaten an Gipfelkonferenzen der Bewegung, die Mitgliedschaft einzelner Staaten und in den 1970-er Jahren immer stärker um den Einfluss der Sowjetunion auf die Bewegung.
Jugoslawien wirkte dort immer wieder einflussreich ein. So kam es unter anderem dazu, dass Bestrebungen Indonesiens, aus den Blockfreien eine rein antikoloniale Bewegung zu machen, durch Titos Verhandlungsgeschick abgewehrt werden konnten.
Auch beim Versuch sozialistische Doktrinen innerhalb der Bewegung zu implementieren, was hauptsächlich durch Fidel Castro in den 1970er Jahren versucht wurde, stellte sich Tito vehement dagegen. Das beeinflusste mehrere Mitgliedstaaten, sich ebenfalls gegen Einflussversuche durch Kuba zu wehren.
Der Kalte Krieg – ein Systemkampf
Während der Kalte Krieg generell auch als Systemkampf zwischen Sozialismus auf der einen und Kapitalismus auf der anderen Seite betrachtet werden kann, gab es innerhalb der Bewegung der blockfreien Staaten viele unterschiedliche Systeme innerhalb der Mitgliedsstaaten.
Aus ihren Grundprinzipien, die 1961 festgehalten wurden, wurde deutlich, dass dies respektiert werden sollte.
Grade die Vertreter Jugoslawiens, allen voran Tito, hielten sehr daran fest und wollten ihr eigenes politisches und wirtschaftliches System nicht anderen Staaten aufdrängen.
So kam es dazu, dass Jugoslawien zu Monarchien oder auch demokratischen Systemen gute Beziehungen pflegte, während es zur Sowjetunion und auch den USA eine gewisse Distanz hielt.
Antikolonialismus
Während der Konflikt zwischen Ost und West immer weiter abflachte, setzte die Bewegung ihren antikolonialistischen Fokus auf Wirtschaftsfragen und die Unterstützung von Entwicklungsstaaten. Man wollte durch das Stimmverhalten bei UNO-Vollversammlungen größeren Einfluss gewinnen.
Der Höhepunkt der Arbeit der Bewegung dürfte man in den 1970-er Jahren vermerken, wobei sie in der UNO nie einen nennenswerten Einfluss gewinnen konnte. Das, obwohl die Bewegung zeitweise eine Stimmmehrheit bei den Generalversammlungen hatte.
Nach Titos Tod
Nachdem Josip Broz „Tito“ 1980 verstarb, schwand Jugoslawiens Einfluss innerhalb der Bewegung, aber auch der Einfluss der Bewegung selbst. 1989 hielt man erneut eine Gipfelkonferenz in Belgrad ab. Zu diesem Zeitpunkt war die politische Lage innerhalb Jugoslawiens bereits angespannt.
Dies führte dazu, dass es während der dreijährigen Zeit des Vorsitzes ab 1989 fünf jugoslawische Vorsitze gab.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens sind einige ehemalige jugoslawische Teilrepubliken heute noch Beobachter der Bewegung.
Im September 2021 fand anlässlich des sechzigjährigen Bestehens der Bewegung der Blockfreien Staaten erneut eine Gipfelkonferenz in Belgrad statt. Auch wenn die Bewegung weiterhin fortbesteht, ist eine Einflussnahme in internationalen Konflikten nicht absehbar.
Text: Katharina Hrvacanin

Mehr über die Bewegung der Blockfreien und vor allem die jüngste Konferenz in Belgrad könnt ihr auch beim Balkanist nachlesen.
Titelfoto: Gamal Abdel Nassar, Jawaharlal Nehru und Tito, lange die drei prägenden Persönlichkeiten in der Bewegung der Blockfreien. Verwendung unter Creative Commons Lizenz CC BY 2.0.