Christoph Baumgarten

Traum und Wirklichkeit des Viktor O.

Viktor Orban hat am Montag Ost-Mitteleuropa in einer Rede zur migrantenfreien Zone erklärt. Balkan Stories antwortet mit einem Offenen Brief.

Lieber Puszta-Sultan,

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

Am Montag haben Sie in Budapest gesagt, Ost-Mitteleuropa sei „migrantenfreie Zone“ und nur Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen würden Widerstand gegen Pläne leisten, aus Europa „einen Mischkontinent“ zu machen.

Soll sich die Republik Österreich dieser Gruppe hoffnungslos rückständiger Chauvinisten widerständiger Staaten anschließen?

In dem Fall müssten wir uns natürlich auch bemühen „migrantenfrei“ zu werden. Wenn Sie wollen, machen wir den Anfang mit den 70.000 Ungarn, die aktuell in Österreich leben. Die hätten Sie doch sicher gerne wieder zurück, lieber Puszta-Sultan sehr geehrter Herr Ministerpräsident?

Der Großteil kam übrigens in unser schönes Land, seitdem Sie am Thron sitzen im Amt sind. So ein Zufall aber auch, finden Sie nicht?

(Mit den 200.000 Ungarn, die mein Land 1956 aufgenommen hat, können wir leider nicht dienen. Um dieses Kontingent zu erreichen, müssten wir 130.000 Ihrer Untertanen Landsleute von irgendwo anders stehlen.

Mit dem Stehlen kennen sich Ihre in- und ausländischen Parteifreunde und sonstigen Günstlinge ja recht gut aus. Aber ansonsten gilt das weder in Ungarn noch in Österreich als sonderlich lobenswerte Tätigkeit. Also lassen wir das.)

70.000 sind ja ein ganz stattlicher Anteil der, wie Sie sagen, „jüngsten Völkerwanderung“,  der „Millionen Migranten“, der „Invasion der neuen Einwanderer“, da werden Sie mir doch recht geben?

Sollen wir auch die Grenzübergänge für die abertausenden Tagespendler aus Ungarn sperren, die in Österreich arbeiten und von deren Geld halb Westungarn lebt?

Aber jetzt im Ernst

Zumindest bis eine neue österreichische Bundesregierung angelobt ist, gelten bei uns Humanität, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Wir würden nicht auf die Idee kommen, Ihre Landsleute für den Unsinn verantwortlich zu machen, den ihr Puszta-Sultan ihr Ministerpräsident so redet.

Sie können sich natürlich brüsten, Ungarn und der Rest der Länder sei „migrantenfrei“.

Ist auch kein Kunststück.

Mit Ihrer korrupten und nationalistischen Politik haben Sie das Land runtergewirtschaftet.

Es will ja keiner mehr in Ungarn bleiben. Man muss ja nur schauen, wie viele Ihrer Landsleute in den vergangenen Jahren nach Österreich ausgewandert sein.

Welcher Migrant soll denn so verzweifelt sein, dass er ausgerechnet nach Ungarn einwandern will?

Nicht falsch verstehen: Die Ungarn, die ich kenne, sind freundliche Menschen. Sie arbeiten hart für einen Dreckslohn. Die Landschaft ist schön.

Nur die Regierung ist halt, naja, wie sag ich’s höflich, ein Haufen durchgeknallter, inkompetenter und korrupter Chauvinisten mit überschaubarer Wahrheitsliebe.

(Das war jetzt sehr höflich, finden Sie nicht?)

Lieber Puszta-Sultan Werter Herr Ministerpräsident, dass Ungarn „migrantenfrei“ ist, ist wahrlich nichts, dessen Sie sich brüsten sollten.

Wenn Sie so weitermachen, wird Ungarn auch bald ungarnfrei sein.

Darüber sollten Sie mal nachdenken.

Aber ich weiß, es viel einfacher mit einem Außenfeind vom eigenen Versagen abzulenken.

Mit gerade noch freundlichen Grüßen,

Christoph Baumgarten
balkanstories.net

P.S.: Und Ihre antisemitischen Verschwörungstheorien können Sie sich sonst wohin schieben.

CB

Titelfoto: (c) Evelin Frerk

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