Sie ist nicht nur das Aushängeschild der Republik Österreich in Serbien. Sie ist auch zu einem Drehkreuz der serbischen Annäherung an die EU geworden. Die österreichische Botschaft in Beograd. Ein Portrait.
Eine Tasse Meinl-Kaffee steht vor mir im Büro von Sabine Kroissenbrunner. Sie ist Gesandte der österreichischen Botschaft in Beograd, das ist sozusagen die Nummer zwei der österreichischen Vertretung in Serbien.
Es war erstaunlich unbürokratisch einen Interviewtermin mit ihr zu bekommen, vor allem wenn ich das mit meinen Erfahrungen mit ausländischen Vertretungen in Österreich vergleiche.
Nicht, dass das Personal in der Kneza Sime Markovića 2 nachlässig wäre. Nachdem ich ein paar Wochen vor meiner Reise ein paar Fragen geschickt und um einen Termin gebeten hatte, hat man Balkan Stories angeschaut, sich überzeugt, dass hier ein Journalist zugange ist, wenn auch mit einem Privatprojekt und sich niemand aus welchen Gründen auch immer einschleichen will.
Nur, es ist eben eine österreichische Vertretung im Ausland. Da bemüht man sich, die Hürden für Außenstehende so niedrig zu halten, wie es die Sicherheit und der Arbeitsalltag erlauben und man übertreibt es nicht.
Die französische Botschaft in Beograd, gleich um die Ecke in der Ulica Pariska, wirkt mit ihren Sicherheitsaufbauten und dem dicken Tor nicht so, als würde ein Journalist ohne dreifache Akkreditierung Zutritt bekommen, vorzugsweise zu beantragen am Quai d’Orsay.
Das Gebäude fehlt in keinem Reiseführer
Beide Botschaften, die österreichische und die französische, gelten als die schönsten ausländischen Vertretungen in der serbischen Hauptstadt und fehlen in keinem besseren Reiseführer. Auch Touristenführer legen ihre Routen durch die Innenstadt häufig so, dass man an ihnen vorbeikommt.
Die österreichische Botschaft gilt als Paradebeispiel des Akademismus in der serbischen Hauptstadt und als eines der wichtigsten Gebäude der Beograder Architektur des 19. Jahrhunderts, geplant vom Architekten Milorad Ruvidić. Ursprünglich war es die Residenz des Kaufmanns Dimitrije Krsmanović.
Diplomatische Beziehungen haben sich verbessert
Vielleicht hat die Gelassenheit der österreichischen Botschaft entscheidend beigetragen, dass sich die Beziehungen zwischen der serbischen und der österreichischen Regierung, wie Sabine Kroissenbrunner sagt, deutlich verbessert haben: „Wir werden hier als echter Partner gesehen, der auf dem Weg in die EU hilft“.
Das sei nicht einfach gewesen angesichts der nicht immer friktionsfreien Geschichte zwischen den beiden Staaten.
Besser als mit dem Standort in der Kneza Sime Markovića 2 könnte diese Geschichte auch kaum verdeutlicht werden.
Eine schwierige Geschichte
Die Sava fließt kaum 100 Meter von der österreichischen Botschaft entfernt durch die serbische Hauptstadt. Am anderen Ufer begann bis November 1918 Österreich-Ungarn.
Ein paar hundert Meter flußaufwärts, wo die Sava in die Donau geflossen ist, stehen die Überreste der Gardos-Türme, von denen aus k.u.k.-Offiziere ins Feindesland spähten und lauschten. Auch die eine oder andere Spionagemission wurde über den Fluss geschickt.
Schräg gegenüber der Botschaft steht die katholische Kathedrale Beograds. Vor der Botschaft stehend kann man, mit ein paar Verrenkungen, den Kalamegdan rechts oben erahnen, die römisch-byzantinisch-osmanische Festung der Stadt – von der aus man das Botschaftsgebäude sehr gut erkennt.
Prinz Eugen von Savoyen hat die Festung eingenommen und 1914 bombardierten österreichisch-ungarische Truppen wieder diesen Teil der Stadt.
Die österreichischen Kriegsverbrechen an der serbischen Zivilbevölkerung im Ersten Weltkrieg werden erst seit wenigen Jahren aufgearbeitet.
Im Zweiten Weltkrieg waren überdurchschnittlich viele österreichische Soldaten an Geiselerschießungen und anderen deutschen Kriegsverbrechen beteiligt. Nicht zuletzt war auch der Luftwaffengeneral, der die Bombardierung Beograds 1941 befehligte, Österreicher: Alexander Löhr. Er wurde 1947 in Jugoslawien als Kriegsverbrecher hingerichtet.
Das konservativ geführte österreichische Außenministerium preschte 1991 mit der Anerkennung der Unabhängigkeit von Kroatien und Slowenien von Jugoslawien vor. Auch das belastete das Gesprächsklima jahrelang.
Zum Umschwung trugen die Westbalkan-Konferenzen der vergangenen Jahre mit österreichischer Beteiligung bei und zahlreiche Initiativen durch das Außenministerium.
Expertise für die Region
Und die Personalpolitik im österreichischen diplomatischen Dienst.
„Wir sind im internationalen Vergleich ein relativ kleiner diplomatischer Dienst, das heißt wir müssen Generalisten sein und es ist nicht selbstverständlich, dass man auch immer in Ländern eingesetzt werden kann, auf die man eventuell spezialisiert ist und deren Sprache man beherrscht“, schildert Sabine Kroissenbrunner.
„Bei unseren Botschaften am Westbalkan ist das anders. Wenn man die Sprachen der Region beherrscht, hat man gute Chancen, hierher als Diplomat zu kommen, was natürlich auch die Bedeutung zeigt, die Österreich den Beziehungen zu den Ländern hier beimisst.“
Hier arbeiten Menschen, die von ihrer Ausbildung her Expertise für die Region mitbringen.
Kroissenbrunner war als Politikwissenschafterin mit Schwerpunkt Türkei, Naher Osten, Islam und Migration und ausgezeichneten Türkischkenntnissen die letzten vier Jahre in Ankara stellvertretende Botschafterin.
Klingt für ihre aktuelle Position nur exotisch, wenn man die Geschichte und die Geografie ausblendet.

Beograd liegt exakt auf halbem Weg zwischen Istanbul und Wien. Und auch wenn es viele Serben vielleicht nicht so gerne hören, 400 Jahre türkischer Herrschaft haben auch einige kulturelle Spuren hinterlassen.
Kroissenbrunner mag keine Spezialistin für Serbien sein, ist aber mit Geschichte und Kultur des Balkan weitaus besser vertraut als das etwa bei einer Juristin oder einem durchschnittlichen Historiker der Fall wäre.
Literatur verbindet
Botschafter Johannes Eigner ist ausgebildeter Dolmetscher und Jurist. Er hat vor wenigen Monaten mit „Das Haus des Erinnerns und Vergessens“ das erste Buch des bekannten serbischen Dramatikers und Schriftstellers Filip David ins Deutsche übersetzt.
Auch das trägt, wenngleich es Eigners privater Leidenschaft für Literatur und Sprache geschuldet ist, zur kulturellen Verständigung und dem Ansehen Österreichs bei seinen Gesprächspartnern zusätzlich bei.
Vielleicht sogar besonders in einem Nachfolgestaat Jugoslawiens, dessen bedeutendster Schriftsteller Ivo Andrić im Zivilberuf Diplomat war und dessen Diplomaten immer noch hin und wieder zu Schrifstellern werden, wie etwa Dragan Velikić, zwischen 2005 und 2009 serbischer Botschaft in Wien.
Enge wirtschaftliche Verbindung
Und da wäre noch das liebe Geld. Aus Österreich kommen seit Jahren die meisten Direktinvestitionen in Serbien. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat auch eine atmosphärische Entspannung gebracht.
Wobei es in einigen Fällen auch Kritik gibt am österreichischen Engagement. Österreichische Banken etwa haben – wie am Rest des Balkans – einen überproportionalen Anteil am regionalen Finanzsektor zusammengekauft. Seit der Finanzkrise ist das für einige Institute auch zum Bumerang geworden, Stichwort: Hypo Alpe Adria.
Nicht nur auf der diplomatischen Ebene hat sich einiges beruhigt in der Kneza Sime Markovića.
Keine Menschenschlangen mehr
Auch im konsularischen Bereich, ein Kernbereich des diplomatischen Dienstes, geht es weit weniger turbulent zu als vor wenigen Jahren.
Bis Ende 2009 standen rund um das Gebäude wochentags hunderte Serbinnen und Serben und warteten geduldig, ihren Antrag auf ein Touristen- bzw. Besuchsvisum in der konsularischen Abteilung der österreichischen Vertretung einzureichen.

Bis damals galt Visumspflicht für alle Reisen in EU-Staaten. Wer Verwandte in Österreich besuchen wollte, musste eine Einladung aus Österreich vorweisen samt Einkommensbestätigung der zu Besuchenden, belegen, dass er oder sie selbst ein Einkommen in Serbien hat und anderes mehr.
Bis zu 700 Anträge pro Tag sollen es damals gewesen sein.
Heute brauchen serbische Staatsbürger nur mehr für längere Aufenthalte Visa. Spezielle Sichtvermerke heißt das im konsularischen Jargon, erklärt mir Sabine Kroissenbrunner. Etwa fürs Studium oder bei der Familienzusammenführung.
Auch Touristenvisa werden noch ausgestellt. Die brauchen Bürgerinnen und Bürger von Staaten wie China oder der Türkei, die keine Abkommen zur Visafreiheit mit der EU haben. Sind sie in Serbien gemeldet, können sie die Visa bei den konsularischen Vertretungen der EU-Staaten beantragen.
Nichts Menschliches ist fremd
„Den größten Bedarf nach den Dienstleistungen des österreichischen Konsulats und des Bereitschaftsdienstes der Botschaft haben österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, vor allem in der Hauptreisezeit – darunter auch sehr viele Österreicherinnen und Österreicher mit serbischen Wurzeln. Sie besuchen das Land naturgemäß weitaus häufiger als Österreicher ohne einschlägigen familiären Hintergrund“, schildert Kroissenbrunner.
„Wir helfen mit unserem Team weiter bei Autounfällen, Diebstählen, Überfällen und Anzeigen bei der Polizei, v.a. wenn es Verständigungsschwierigkeiten gibt“, sagt Kroissenbrunner. Gehen Pässe verloren oder werden gestohlen, werden Notpässe ausgestellt. Den so genannten Reisevorschuss gibt es nur mehr in absoluten Notfällen.
Einem Konsulat ist sozusagen nichts Menschliches fremd. Man betreut auch österreichische Staatsbürger, die festgenommen werden, in U-Haft sitzen oder gar in Haft Gerichtsverfahren abwarten müssen. „Wir unterstützen diese Personen bzw. auf Wunsch deren Familien zum Beispiel dabei, Dolmetscher oder Anwälte zu finden und setzen uns natürlich auch weiter für sie ein, etwa wenn es darum geht, nach Österreich überstellt zu werden“, erklärt die Diplomatin die Vorgangsweise.“
Die Zusammenarbeit mit der serbischen Justiz funktioniere in solchen Fällen gut. „Die Dauer des Überstellungsprozederes ist aber doch eine Belastung für die Betroffenen“, sagt Kroissenbrunner. „Ich denke mir, das verbessert die Resozialisierungsaussichten beträchtlich und erspart Betroffenen Leid.“
Serbische Gefängnisse gelten höflich formuliert nicht als Musterbeispiele modernen Strafvollzugs. Siehe etwa Bogumil Balkanskys Buch „Asphalt Hyänen“. Das sagt Kroissenbrunner so nicht. Wer sich ein wenig umhört, kriegt das aber auch so mit.
Ehebefähigungszeugnis nicht vergessen
Gar nicht so selten darf man hier auch zu etwas Erfreulicherem beitragen, vor allem wenn es um Eheschließungen und ähnliches geht: „Wer seine Geburtsurkunde vergessen hat, kann bei uns ein Duplikat bekommen.“
Ein noch wichtigeres Dokument sollte man freilich nicht zuhause vergessen haben. „Ein Ehebefähigungszeugnis können wir hier an der Botschaft nicht ausstellen, das muss aus dem Bezirksamt oder Magistrat der Heimat mitgebracht werden“. Wer auf dem serbischen Standesamt nicht nachweisen kann, dass er oder sie nicht schon verheiratet ist, darf auch in Serbien nicht heiraten.
Das kann nicht einmal die österreichische Vertretung in Beograd ausbügeln.
Tipp: Bereitschaftsdienst der österreichischen Botschaft in Serbien: 00381-600239890
Zum Bereitschaftsdienst des österreichischen Außenministeriums geht es hier.