Die Flüchtlingskrise in Bosnien ist nicht vorbei. Nach der Schließung des Skandallagers von Vučjak bei Bihać ist Tuzla im Nordosten zum Sorgengebiet geworden. Bis zu 150 Flüchtlinge schlafen seit mittlerweile Wochen am Busbahnhof und am Bahnhof in Zelten. Freiwillige aus der Stadt versorgen sie mit dem Nötigsten.
Auch am Heiligen Abend kommen sie.
Zwei Flüchtlingsfamilien mit fünf Kindern stehen am frühen Morgen orientierungslos am Busbahnhof von Tuzla, schreibt die Seite tuzlarije.net
Sofort sind Freiwillige zur Stelle und versuchen sie, mit Essen und Trinken zu versorgen.
Wo sie untergekommen sind, hat Balkan Stories vorerst nicht in Erfahrung bringen können.
Im schlimmsten Fall in einem der Zelte, die auf den Bahnsteigen des Bahnhofs und unter dem Vordach bei den Persons des Busbahnhofs aufgestellt wurden.
Auch sie sind Gaben von Freiwilligen aus Tuzla.
Zuletzt kamen auch Hilfsgüter aus Österreich in der Stadt an. Zur Verfügung gestellt und hintransportiert von SOS Balkanroute – We Help von Petar Pero Rosandić und Renato Čiča.
Seit Mai 2018 sind 10.000 Flüchtlinge durch die Stadt im Nordosten Bosniens gekommen.
Vom Durchgangspunkt zum Flaschenhals
Tuzla ist ein Verkehrsknotenpunkt unweit der serbischen Grenze.
Anders als an den meisten Abschnitten trennt Bosnien und Serbien hier nicht die Drina. Es ist nur eine Grüne Grenze, die einfacher zu überqueren ist.
Sofern man in dieser Region von einfach sprechen kann.
Auch nach Kroatien ist es nicht weit von hier.
So attraktiv auf den ersten Blick Tuzla als Zwischenstopp sein mag, vor einigen Monaten ist auch diese Stadt vom Durchgangspunkt zum Flaschenhals geworden.
Es wird immer schwieriger, nach Kroatien zu kommen.
Wer es schafft, den verprügeln auch an diesem Grenzabschnitt kroatische Grenzpolizisten, wenn sie ihn erwischen und nehmen ihm alles ab, was er für einen neuerlichen Grenzübertritt braucht.
Dennoch, Vielen scheint es weniger gefährlich als die serbisch-kroatische Grenze.
Erst vor wenigen Tagen ertranken sechs Menschen beim Versuch, von Serbien nach Kroatien zu kommen.
Wer es nach Tuzla geschafft hat, muss länger hier ausharren als noch vor einem halben Jahr.
Muss sich darauf einstellen, länger hier gestrandet zu sein.

Seit fast einem Monat campieren Flüchtlinge in den Zelten an Bahn- und Busbahnhof von Tuzla.
Zuerst Dutzende. Mittlerweile sind es 150.
Es sind vorwiegend Freiwillige, die sie am Leben erhalten, sie mit dem Nötigsten versorgen. Von Essen bis Brennmaterial.
Hilfe vor allem von Freiwilligen
Freiwillige wie Amila Rekić. Sie kümmert sich fast rund um die Uhr um die Flüchtlinge.
Freiwillige wie Ajka Semić Mujić. Sie ist eine der Frauen, die auf diesem Video warmes Essen verteilt.
Freiwillige auch wie Senad „Ćupo“.
Er ist einer der Administratoren der Facebook-Gruppe Human Rights for Refugees in Bosnia und dokumentiert neben der eigenen Arbeit die Leistungen anderer Freiwilliger mit Fotos und Videos.
Auf dieser Seite tauschen Freiwillige Informationen aus, rufen zu Spenden auf, koordinieren auch internationale Helfer ihren Einsatz.
Die Flüchtlingshelfer aus Tuzla, sie sind wenige.
Die meisten Bewohner würden sich wenig um die Flüchtlinge kümmern, sagen sie.
Dennoch scheint die Stimmung etwas besser zu sein als in Bihać.
Auch wenn seit Monaten solche Poster in der Stadt Stimmung gegen Flüchtlinge schüren.

Auch dagegen treten die Freiwilligen an.
Amila Rekić etwa schildert, wie gestern ein orientierungsloser älterer Bosnier am Busbahnhof gefunden wurde.
Während die örtlichen Helfer Polizei und Rettung verständigten, kümmerte sich ein Flüchtling namens Jusuf um den alten Mann und beruhigte ihn. Einfach so. „Weil er weiß, wie es ist“, schildert Amila.
Und dann gibt es Geschichten wie die von Noraiz Javed aus Pakistan.
Der 29-Jährige hat in seiner kurzen Zeit in Tuzla Lokalkultur angeeignet.
Es ist ein Überleben, irgendwie, das die Flüchtlinge hier in Nordostbosnien erwartet.
Immerhin, drei warme Mahlzeiten und Stromversorgung stehen zur Verfügung.
Und Menschen, die sich Zeit nehmen.
Viel mehr können die Tuzlaerinnen und Tuzlaer aus ihren privaten Mitteln nicht zur Verfügung stellen.
Die Behörden kümmern sich so wenig wie möglich um die Betroffenen.
Die bosnische Politik hofft, dass die Flüchtlinge so schnell wie möglich durchziehen und so wenig Arbeit wie wenig machen.
Anders als in Bihać, wo tausende Menschen gestrandet sind, sind es hier gerade wenig genug, dass man wegschauen kann, ohne einen Aufschrei zu verursachen.
Nicht allen Bosniern ist die Situation egal
Was nicht heißt, dass die behördliche Untätigkeit nicht vielen Bosnierinnen und Bosniern sauer aufstößt.
Der Hetze vieler Gruppen und des Boulevards zum Trotz, viele haben nicht vergessen, dass sie selbst oder nahe Verwandte während des Kriegs vor 25 Jahren Flüchtlinge waren.
Und es ist nicht nur das Nichtstun der Behörden, das bei ihnen Unmut verursacht.
Im Moment sorgt dieses Video für Empörung.
Der Mensch, auf den Uniformierte hier einprügeln, soll ein Flüchtling sein.
Er soll in Sarajevo eine Tafel Schokolade gestohlen haben.
Die Uniformierten sollen Polizisten sein.
Balkan Stories konnte die Echtheit bisher nicht bestätigen.
Unfraglich ist, dass die Uniformierten hier eine bosnische Polizeiunform tragen.
Titelbild: Ben Owen-Browne