Balkan Stories beugt sich dem öffentlichen Druck, Catcontent zu präsentieren. Wie das geschieht, wird euch freilich überraschen. Außer vielleicht, ihr seid vom Balkan. So oder so, es wird viele schöne Katzenbilder zu sehen geben.
Ich weiß nicht, ob ich Petars Kater jemals zu Gesicht bekommen hab.
Er war auf den jüngsten Reisen nach Beograd immer mein Gastgeber.
Technisch gesehen übernachte ich bei ihm im Büro, in der Wohnung ist kein Platz. Aber entsprechend oft besuche ich seine Familie und ihn auch zuhause.
Familienhündin Ljubica begrüßt mich immer sehr freundlich.
Sie kennt mich mittlerweile und meinen Hund riecht sie auch an meiner Kleidung.
Nur der Kater ist nie da, wenn ich da bin. Ich habe erst bei meinem letzten Besuch, es war der dritte bei ihm, erfahren, dass er einen hat.
Einmal habe ich ihn vielleicht gesehen. Da kam ich am Abend zu Petar. Eine Katze oder ein Kater saß auf den zugewachsenen Außentreppen des Wohnhauses in den ersten Stock.
Ich versuchte, das Tier zu mir zu locken. Es ergriff die Flucht.
Die Katzen laufen frei rum
„Kann schon sein, dass es unserer war“, sagte mir Petar an diesem Abend. „Er kommt meistens in der Nacht wieder heim.“
„Du lässt ihn einfach so frei rumlaufen?“
„Na, wie soll ich ihn denn daran hindern, rauszugehen?“
Petar lebt in Nejmar. Das ist ziemlich zentral, wenn auch seine Wohnstraße ziemlich ruhig ist und es viele Einfamilienhäuser mit Garten dort gibt.
Aber die nächsten vielbefahrenen Straßen wie die Maksima Gorkog sind nicht weit weg. im Aktionsradius einer Katze liegen sie allemal.
„Bei uns lassen alle die Katzen raus“, stellt Petar fest und zeigt sich sehr verwundert, dass mich das wundert.
„Dürfen bei euch die Katzen nicht raus?“
Petar
In Sarajevo ist’s nicht anders
Auch Adi, mein Pensionsbesitzer aus Sarajevo und ein lieber Freund, lässt seine Katzen ins Freie.
„Eine Katze braucht das“, sagt er.
Manchmal birgt die Freiheit das Risiko, dass eine Katze nicht mehr zurückkommt.
So wie bei diesem Kätzchen, das ich vor einiger Zeit hier vorgestellt habe.

„Eines Tages ist sie nicht mehr zurückgekommen“, sagt mir Adi. „Ich hoffe, dass es kein Auto war.“
In seiner Gegend ist die Wahrscheinlichkeit freilich hoch.
Das Stadtviertel Mejtaš und die angrenzenden Straßenzüge bestehen aus engen Gassen, in denen viele Autofahrer unterwegs sind.
Die Nachbarskatze kommt auf Besuch
An meinem letzten Freitagabend in Sarajevo grille ich auf der Terrasse.
Adi und seine Frau Marija sind eingeladen, zwei deutsche Urlauberinnen, die gerade in der Pension übernachten, Nick schaut ein bisschen später vorbei.
Als ich die Kalbskoteletts auf den Grill lege, miaut es laut vom angrenzenden Schrägdach.
Es ist nicht Seca, Adis und Marjias neues Kätzchen. Das sitzt auf Ramonas Schoss.
Die Nachbarskatze hat beschlossen, uns einen Besuch abzustatten.
Ob der Essensgeruch eine Rolle gespielt hat oder die Terrasse auf ihrer regelmäßigen Tour liegt, wer weiß das schon.
Sie ist ausnehmend zutraulich, fast so wie die drei Monate alte Seca.
Ich streichle sie und gebe ihr einen Chicken Wing.
Nicht so neurotisch wie oft zuhause
Seltsamerweise habe ich in dieser Umgebung wenig Zurückhaltung bei Katzen.
Nicht, dass ich Katzen nicht mag. Ich habe nur sehr wenig Erfahrung mit ihnen und kann ihre Körpersprache schwer deuten.
Hier freilich kommen sie mir in der Regel weniger neurotisch vor als die Wohnungskatzen zuhause.
In Städten in Österreich und Deutschland laufen keine Katzen frei rum. Strengstens verboten.
Am Land ist das anders. In sehr kleinen Städten vielleicht auch.
Klischeehaft kroatische Katzen
In Städten so groß oder klein wie Motovun im istrischen Inland.
Hier leuchtet es auch irgendwie ein. Verkehr gibt es wenig. Auch Gelegenheiten, in einen Wald zu entfleuchen, gibt es nicht im Übermaß.
Da kann man sie laufen lassen.
Die Bewohner kümmern sich liebevoll um sie.
Selbstironische Kroaten würden sagen, diesen Katzen würde man auf den ersten Blick ansehen, dass sie kroatisch sind.

Streng geordnet, je eine nach Stufe. Genau wie das Klischee, das manche bornierte Kroaten von sich selber haben.
Katzen gehören zum Straßenbild
Aber egal, wie groß die Stadt. In jedem der Nachfolgestaaten Jugoslawiens, die ich in den vergangenen Jahren besucht habe, haben Katzen zum Straßenbild gehört.
Nicht alle dieser Katzen sind solche mit Freilauf.
Es sind auch viele echte Streuner dabei.

Katzen kastrieren ist hier mit wenigen Ausnahmen nicht verpflichtend. Die Tiere vermehren sich und der Nachwuchs kommt nicht immer zuhause zur Welt.
Schnell werden aus drei draußen geborenen Würfen hundert Streunerinnen und Streuner.
Viele Menschen füttern sie und eine unmittelbare Bedrohung sind sie allenfalls für die Vogelwelt.
Die Schattenseiten der Streuner
Trotzdem, der vielleicht majestätische Anblick vieler Katzen in ex- bzw. postjugoslawischen Stadtzentren hat auch seine Schattenseiten.
Gemeinsam mit den vielen Straßenhunden leisten die Straßenkatzen einen Beitrag, dass Tollwut in dieser Gegend nur schwer auszurotten ist.
Siehe etwa diese Unterlagen aus Serbien.
Und die Katzen, die ein Zuhause haben, bringen von ihren Freiläufen auch mal Flöhe und anderes Ungetier nachhause.
Vereinzelt führt das dazu, dass Stadtverwaltungen reagieren. In Karlovac in Kroatien etwa müssen Hunde- und Katzenbesitzer ihre Tiere kastrieren lassen.
Sonst beschränken sich Stadt- und Landesverwaltungen eher darauf, der streunenden Hunde Herr zu werden.
Anders als Katzen können die in Ausnahmefällen auch für Menschen direkt gefährlich werden.

Freilich sind die Mittel, mit denen man das versucht, häufig alles andere als tierfreundlich. Mehr in einem späteren Blogbeitrag.
Sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt das Wort „viel“ verwenden kann, gibt es auch viel mehr Privatinitiativen für Hundeasyle oder Hundevermittlungsaktionen ins Ausland als für Katzen.
Chadd Briggs etwa, ein Freund, der in Prishtina arbeitet, vermittelt immer wieder gemeinsam mit einer kosovarischen Gruppe Hunde in sein Heimatland USA. Selbstverständlich unentgeltlich.
Bei Katzen ist das allgemeine Bewusstsein noch nicht so ausgeprägt, dass auch sie Unterstützung brauchen könnten.
Aber es haben sich erste Initiativen formiert, die auch für ausreichend Asylplätze für streunende Katzen kämpfen.
Wer einen Beitrag leisten möchte, kann unter anderem diese Petition auf change.org unterstützen.

Vielleicht gelingt es ja langfristig, einen Kompromiss zwischen Freiheit für Katzen und angenehmen Lebensbedingungen für sie zu finden.
Man könnte sich dann weiter an den Königinnen der Straße erfreuen – es wären aber nicht zu viele von ihnen.