Bleiburger Gedanken

Was man aus der Massenveranstaltung kroatischer Neofaschisten und Nationalisten in Bleiburg lernen kann. Und was sonst dazu gesagt werden muss.

Bleiburg, Pliberk auf Slowenisch, muss eine tolerante Kleinstadt sein. Alle wichtigen Einrichtungen sind zweisprachig angeschrieben.

Bei der Kulturhalle fällt einem sogar zuerst das slowenische Kulturni Dom ins Auge. Sloweninnen und Slowenen haben leitende Funktionen in der Stadtverwaltung.

Die Stadt hat seit Jahrhunderten eine große slowenische Minderheit. In früheren Zeiten werden die Slowenen sogar die Mehrheit gestellt haben. Aber die jahrzehntelange Germanisierungspolitik bis in jüngste Tage hat die Slowenischsprachigen weniger werden lassen.

In mancher Umlandgemeinde Bleiburgs/Pliberks haben bis heute Slowenen Angst, ihren Kindern ihre Muttersprache beizubringen.

Freilich, den knapp mehr als 4.000 Einwohnern der Stadt scheinen Toleranz und Verständigung keine dringlichen Anliegen zu sein.

Der Großteil der 100 Teilnehmer der Gegendemonstration zum Ustaša-Gedenken kam von auswärts.

Die Massen der Ortsansässigen blieben aus.

Das verwundert.

Slowenen haben traditionell keine Sympathien für die Neo-Ustaša-Umtriebe in Kroatien.

Bei den Kärntner Slowenen gibt es zudem die Erinnerung an den Partisanenkampf von Angehörigen der Minderheit gegen die Nazis, die die wichtigsten Verbündeten der kroatischen Faschisten waren.

Wohlfeile Worte

Nicht einmal der sozialdemokratische Bürgermeister besuchte die Gegenkundgebung.

Überhaupt, die Sozialdemokratie unterstützte die Kundgebung nicht.

Da mag Kärntens sozialdemokratischer Landeshauptmann Peter Kaiser sich gegen die Gedenkmesse für die Ustaša ausgesprochen haben, was er will – er hat nicht dafür gesorgt, dass wenigstens eine symbolische Abordnung seiner Partei an der Gegenkundgebung teilnahm.

Das Gleiche gilt für die Bundesleitung der SPÖ. Sie hat offiziell gegen das Treffen protestiert und parlamentarische Anfragen eingebracht. Das ist löblich, aber wenig.

Die wenigen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die teilnahmen, taten das ohne Abzeichen, ohne Fahnen, ohne Reden. Sie taten es aus eigenem Engagement und Selbstverständnis.

Wesentlich kleinere Parteien wie die KPÖ stellten ein Vielfaches der Teilnehmer der Kundgebung wie die SPÖ.

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Die Kundgebung wurde von der Initiative gegen Ustaša- und Nazitreffen in Kärnten/Koroška und der KP-nahen Opferorganisation KZ-Verband organisiert.

Weiter als ein paar wohlfeile Worte scheint der Wille der heimischen Sozialdemokratie nicht zu reichen, das größte Faschistentreffen Europas zu verhindern. Oder wenigstens dagegen zu protestieren.

Der Faschismus ist in der Mitte angekommen

Wenn Österreichs größte antifaschistische Partei derartige Hemmungen hat, gegen ein Treffen zu mobilisieren, bei dem faschistische Kriegsverbrecher zu Märtyrern stilisiert werden, kann man sagen: Der Faschismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Auch in Österreich sind Hass, Fremdenfeindlichkeit und Verhetzung so präsent, dass solche Treffen bei den meisten nur mehr ein Achselzucken auslösen.

Natürlich hegt man für die geistigen Wiedergänger der Faschisten keine Sympathien. Man kann sich aber nicht mehr über sie empören.

Das stärkt die Revisionisten, die Nationalisten und die Faschisten.

Das tut auch die Vorgangsweise der ÖVP. Die Partei, die den Bundeskanzler stellt, hat Bleiburg quasi zum Nicht-Problem erklärt.

Und sich solcherart gemein gemacht mit dem rechten Rand der HDZ, kroatischen Parteien weit rechts von der HDZ und jener kleinen Gruppe Bosnjaken, die dem Ustaša-Staat NDH nachtrauert.

Von einer neuen ÖVP ist da nicht viel zu spüren. Das ist Stahlhelmfraktion der Uralt-VP, die jahrzehntelang den kroatischen Nationalismus unterstützte und beide Augen vor seinen dunkelsten Seiten schloss.

Die Revisionisten, die Nationalisten, die Faschisten sind nicht die Mehrheit. Aber jeder ungehinderte Massenauftritt verstärkt die Meinung, sie seien „das Volk“. Wenn man nicht aufpasst, wird das zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

Resignation wie möglicherweise im Fall der SPÖ wird zur Kollaboration wider Willen. Das Problem alter kommunistenfresserischer Freundschaften wegen zu ignorieren und zu leugnen wie bei der ÖVP sowieso.

Das hat Österreich mit Kroatien gemeinsam.

Das kroatische Problem

Auch dort ist der Faschismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen, wie Krsto Lazarević und Danijel Majić in ihrem Podcast feststellen.

Auch wenn diesmal nur 10.000 zur Gedenkmesse am Loibacher Feld kamen – angesichts der oft stundenlangen Anreise sind das fast unvorstellbar große Massen.

Nicht zu vergessen, dass vier Minister und der Parlamentspräsident und sein Stellvertreter an der Veranstaltung teilnahmen.

Nebst einem neofaschistischen Ex-Minister und mehreren Parlamentsabgeordneten nationalistischer Parteien.

Unter den 10.000 Teilnehmern hatte offenkundig niemand Probleme, dass Ustaša-Symbole offen zur Schau gestellt wurden.

Gut, die Leute sind auch ausgewiesene Sympathisanten.

Aber im heutigen Kroatien würden nur die wenigsten Anzeige wegen derartiger Symbole erstatten.

Daraus lässt sich nicht ableiten, dass der Großteil der Kroaten mit den Neofaschisten sympathisieren würde.

Viele sehen es nur nicht mehr als etwas, über das man sich aufregen muss.

Das überrascht nicht.

Revisionismus als Staatsräson

Seit 25 Jahren wird den Kroaten von oben Bleiburg als Gründungsmythos der kroatischen Nation hineingehämmert. Zumindest, wenn die HDZ an der Macht ist. Und das war die vergangenen 25 Jahre meistens der Fall.

Die Ustaša werden in dieser Deutung zu allenfalls fehlgeleiteten Patrioten, die einiges nicht so Nettes getan haben, über das man aber bitte nicht mehr reden soll, weil die bösen Serben…

Dass es so weit gekommen ist, hat auch mit den Ereignissen im Mai 1945 am Loibacher Feld und anderen Grenzorten zu tun.

Die Briten lieferten zehntausende Mitglieder faschistischer Kampfformationen den Partisanen aus.

Tausenden gelang freilich die Flucht. Oft genug mit britischer oder amerikanischer Hilfe.

Sie siedelten sich in den USA, in Kanada und in Australien an. Und begannen dort – teilweise mit Hilfe aus dem Vatikan – mit jahrzehntelanger Destabilisierungsarbeit in Jugoslawien.

Es wäre gewagt, das als Ursache für das Auseinanderbrechen des Staates zu sehen.

Freilich, die geflohenen Ustaša und ihre Kinder waren die Ersten, die den kroatischen Separatismus der späten 80-er finanziell unterstützten – und vor allem seine politische Verkörperung, die klerikal-nationale HDZ.

Die HDZ knüpfte auch von der ersten Minute ihres Daseins an den kroatischen Opfermythos an und schürte Ressentiments gegen Serben und Jugoslawien.

Der Krieg tat das Übrige, um unter patriotischen Kroaten den regionstypischen Opfermythos ins Neurotische zu steigern.

Dass die HDZ bis heute kein Interesse hat, neofaschistische Umtriebe zu unterbinden, erscheint nachvollziehbar. Auch wenn sie selbst keine neofaschistische Partei im engeren Sinn ist.

Die EU schaut weg

Die EU sieht ohnehin weg. Zum einen gibt es in Österreich und Deutschland seit jeher starke Sympathien für den kroatischen Nationalismus.

Zum anderen sehen die größeren Staaten Kroatien als eher irrelevant. Die Bevölkerung der meisten EU-Mitgliedsstaaten weiß über die historischen Hintergründe kaum Bescheid.

Die kroatische Antifa ist stärker, als es nach Bleiburg den Anschein haben mag. Sie ist breiter aufgestellt als etwa in Österreich und Deutschland.

Auch wenn ein guter Teil der Bevölkerung neofaschistische Umtriebe achselzuckend zur Kenntnis nimmt und die katholische Kirche munter mit dem Gelichter klüngelt – ein großer Teil der Kroaten will mit diesen Leuten nichts zu tun haben.

Kroatiens Antifaschisten können das nicht alleine stemmen

Es gibt sie noch, die alte antifaschistische Tradition im Land.

Freilich, allein werden Kroatiens Antifaschisten das nicht stemmen.

Die Gegenproteste in Bleiburg könnten ein Schritt sein, die internationale Zusammenarbeit der Antifaschisten zu stärken.

Und deutlich machen, dass die Bevölkerung diese Umtriebe nicht so ohne weiteres hinnimmt.

Dazu wird man im konkreten Fall auch die Bleiburger und Pliberker ins Boot holen müssen. Sie stehen bislang passiv an der Seite.

Wie viele Kroaten, Österreicher etc. etc. sehen sie nicht, dass der Kampf gegen diese Umtriebe auch ein Kampf für ihre Rechte und ihre Würde ist.

Und nicht zuletzt läge es im ökonomischen Interesse der Stadt, die Ustaša-Umtriebe abzustellen.

Die Messebesucher lassen ohnehin kaum Geld in der Stadt. Dafür ruinieren sie mittlerweile weltweit ihren guten Namen.

Das kann doch kein Bürgermeister wollen.

 

Ein Gedanke zu “Bleiburger Gedanken

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