#euerhaus #vašakuća wäre fast vom Winde verweht worden. Auch wenn die Solidaritätslesung mit der Sarajevoer Protestgruppe Jedan grad, jedna borba wetterbedingt keine Massenveranstaltung war – sie hat vor allem in Bosnien für Aufmerksamkeit gesorgt.
Im letzten Moment greift Wolfi zu und drückt Gerhards Hut auf den Kopf des Autors. Der bemüht sich, zwischen Windböen und Regentropfen seine Manuskriptseiten und das Mikrofon festzuhalten und schafft es, weiterzulesen.
Den Paschinger bringt nichts leicht aus der Ruhe. Da mag die halbe Welt neben ihm untergehen. Der liest weiter. Und schmunzelt.
Das hilft uns anderen, weiterzumachen.
Leicht haben wir’s nicht. Olja erwischt’s am schlimmsten. Der Sturm schluckt ihren Text über die einsame Tito-Statue in Sarajevo aus ihrem Roman „Kein Meer“ beinahe.

Die Boxen sind unterdimensioniert. Ausgelegt auf einen Schönwettertag. Da kann auch Tontechniker Wolfi nichts mehr machen. Ich würde mich eigentlich beim Organisator beschweren. Würde auch nichts ändern. Der Organisator bin ich und ich weiß eh, dass ich das verbockt habe. Bei mir selber entschuldigen werd ich mich auch nicht gerade.
Isolde reißt der Wind das Manuskript beinahe aus der Hand. Die Geschichte ihrer gemeinsamen Flucht mit Hans Christian über den Eisernen Vorhang. Passenderweise geht’s auch hier um unfreundliches Wetter.
Nach ihrem Auftritt hält sie Vid fest, damit sie keine Böe auf der Treppe der Hauptbücherei zum Sturz bringt. Zeitweise lehnt sich auch Olja an ihn an.
Vid ist groß und kräftig. Sein Gewicht kann die zierlichen Frauen aufhalten, sollte sie der Wind in Bewegung versetzen.

Barbi hat ihren Spaß und tratscht mit Olja und Vid auf Naški, wenn der Wind wieder mal den Redebeitrag eines Autors oder einer Autorin verschluckt. Du hörst ja wirklich nichts mehr.
Ihr Text hat’s in sich. Das Schlusskapitels ihres Romans Superheldinnen. Kämpferisch. Ein Höhepunkt zum Schluss der Lesung. Da vergisst du, dass wir nie mehr als vier Hörer gleichzeitig hatten. Und die kannten wir alle persönlich.
(Ich hab übrigens meine Reportage „Die zwei Wochen des Fardil“ gelesen).
Das Wetter war zu unfreundlich.
Wir haben’s durchgezogen
Zur Verteidigung des Organisators sei angebracht, dass die Demo, die gleich nach uns am Urban-Loritz-Platz hätte stattfinden sollen, überhaupt nicht zustande kam. Und wer sich trotzdem aus politischen Gründen vor die Tür traute, ging gleich direkt zur Antirassismus-Demo, die im nahe gelegenen Märzpark ihren Ausgang nahm.
Immerhin, wir haben’s durchgezogen und es ist keiner und keine sauer auf mich. Auch was.
Und allein, dass die Lesung auf der Treppe der Hauptbücherei stattgefunden hat, hat in Sarajevo für Medienecho gesorgt.
Großes Medienecho in Bosnien
Meine liebe Freunding Selma Asotić schickt mir drei Links zu Beiträgen in größeren Medien. Zum Beispiel auf Radio Sarajevo.
Bei der Lesung vor der Vijećnica hatten sie eher mit Medienandrang zu kämpfen. Mehrere Kamerateams, Fotografen, Reporterinnen und Reporter. Selma sagt, dass wir in Wien gelesen haben, hat geholfen, Aufmerksamkeit zu kriegen.
Das interessante Programm vor der ehemaligen Nationalbibliothek wird’s wohl auch gewesen sein.
„I know Christoph was a little underwhelmed by the low turnout and the technical difficulties you were having, but you should feel nothing but triumph!„, schreibt Selma in einem Mail an unsere Autorinnen und Autoren. „Because the reading in Sarajevo was a huge hit! We had numerous journalists and TV crews covering the event and broadcasting the news that Vienna and Sarajevo are reading together, for a common cause. There is no way we would have been able to generate such interest had it not been for you. You have helped us aim up the pressure and now we are planning to organize other solidarity readings in cities around Europe and the world. Belgrade, Zagreb, Barcelona, London and New York are all in the pipeline!
So I thank you once again for believing that there is, after all, such a thing as community and solidarity. Thank you for reminding us that we are not alone in our battles, regardless of how bleak or hopeless things may seem. That camaraderie, solidarity and mutual love, care and respect can do wonders after all.“
Dem Dank schließe ich mich an.
Es gibt internationale Solidarität
Und dann gibt’s noch einen wichtigen Punkt bei der ganzen Sache: Alle Beteiligten haben spontan zugesagt, als ich sie gefragt habe, ob sie bei der Lesung mitmachen wollen.
Kein Nachfragen, kein Zögern, nichts. Einfach nur die Frage: „Wann geht’s los“?
Das war auch beim Wolfi so. Wie’s bei Freunden und Nachbarn so ist, kenn ich nicht mal seinen Nachnamen.
Wolfi ist in Pension und legt ab und zu gegen ein paar Almdudler in seinen Stammlokalen auf. Mehr aus Spaß. Ein Berufsleben lang war er Reifenmonteur.
Als ich ihm vor zwei Wochen geschildert habe, wie die Stadtverwaltung von Sarajevo die Vijećnica kommerzialisiert hat und wie sie der Nationalbibliothek verweigert, dass sie einzieht, hat er nur gefragt: „Wie kann ich helfen?“
Ja, internationale Solidarität gibt’s noch. Man muss den Menschen nur die Geschichten erklären und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu engagieren.
Egal, dass die Lesung eine Beinahe-Reinfall war und wir uns den Arsch abgefroren haben – das zu erfahren, das war’s allemal wert.
Zumal wir auch ein bisschen was bewegt haben.
Und hier die Verantwortlichen für den Wiener Beitrag zu „Jedan grad, jedna borba“:
und meine Wenigkeit, Christoph BaumgartenTitelfoto: Barbi Marković
Ein Gedanke zu “Wie Wolfi Gerhards Hut rettete”