Eindrücke eines Wahnsinnsprojekts

Wie berichtet soll in Banja Luka in Bosnien ein 110 Meter hoher Hotelturm das Stadtzentrum verschandeln. Die Bauarbeiten haben begonnen – und erste Eindrücke bestätigen die Skepsis gegenüber diesem Großprojekt.

Von vorne merkt man dem denkmalgeschützten Hotel Palas in Banja Luka nicht an, dass es demnächst von einem 110 Meter hohen Glasturm erdrückt werden soll.

Das Hotelrestaurant ist in Betrieb, Menschen sitzen an diesem bewölkten Frühsommernachmittag im Schanigarten, daneben soll eine Filiale der Kaffeehauskette Fabrika eröffnet werden.

Man muss nur Richtung Kaufhaus Bosko gehen, um zu sehen, dass diese Hotelnormalität akut bedroht ist.

Einen leerstehenden Flügel haben Investoren der Zepter-Gruppe von Milan Јanković schon abreißen lassen.

Im Hinterhof haben Bagger begonnen, die Fundamente für den Hotelturm zu graben.

Heute stehen sie still, möglicherweise wegen des vorhergesagten Regens.

Bilder am Bauzaun verraten, was sich die Einwohner von Banja Luka von dem Projekt erwarten dürfen.

Der Turm soll alles in der Innenstadt überragen. Er soll das höchste Gebäude der Republika Srpska werden, des serbisch dominierten bosnischen Teilstaates, dessen Regierungssitz Banja Luka ist.

Die nationalistische politische Elite der Stadt und der Republika Srpska steht geschlossen hinter dem Projekt. Vor wenigen Monaten war es im Rekordtempo durchgewunken worden. Die Bevölkerung wurde nicht eingebunden, wie Balkan Stories exklusiv außerhalb des ehemaligen Jugoslawien berichtete.

Dass hier die Stadtplanung unter fragwürdigen Umständen versagt hat, ist nicht nur die mehr oder weniger private Meinung von Menschen, die dem Regierungssystem der Republika Srpska skeptisch gegenüberstehen. Zu dem Schluss kommt auch Ognjen Šukalo, Professor für Architektur an der Universität von Banja Luka.

Die Stadtregierung trete hier auf wie die Vertretung der privaten Investoren, kritisierte er in einer öffentlichen Stellungnahme im Vorjahr, nachdem das Projekt vorgestellt worden war.

Nicht nur architektonisch, stadtplanerisch und demokratiepolitisch wirft das Wahnsinnsprojekt Fragen auf.

Dass der Turm so nah an den Fundamenten des denkmalgeschützten Hotels stehen soll, erinnert zumindest baustatische Laien unangenehm daran, dass Banja Luka in einer Erdbebenzone liegt.

Zwischen 26. und 27. Oktober 1969 zerstörten ein Erdbeben mit der Stärke 6,1 und zahlreiche Nachbeben hunderte Gebäude in der Stadt, unter anderem fast 300 Schulen und fast 90.000 Wohneinheiten.

Eine moderne Turmkonstruktion wird ein solches Erdbeben bei solider Bauausführung schon überstehen. Nur ist nicht ausgeschlossen, dass die Bauarbeiten die Fundamente oder die Stützmauern des darunterliegenden, ursprünglichen, Hotels beschädigen. Das wäre bei einem weiteren Erdbeben wahrscheinlich nicht so ideal.

Und es stellt sich wieder die Frage, warum die Stadt Banja Luka ein derartig überdimensioniertes Hotel brauchen soll, und warum ausgerechnet an diesem Ort.

Aber rationales Denken ist bei Bauprojekten im ehemaligen Jugoslawien eine Disziplin, die man bei politisch Verantwortlichen vergeblich sucht. Nicht nur in Banja Luka, nicht nur in der Republika Srpska, nicht nur in Bosnien, wie diese Liste zeigt. Aber besonders dort.

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