Straßenarbeiter zerstören ein Partisanendenkmal in Serbien. Die Stadt Beograd will einen Großteil eines ehemaligen Konzentrationslagers abreißen. Serbiens ältestes Jugendtheater soll zum Umzug gezwungen werden. Drei Geschichten, die Eines gemeinsam haben.
Die Chinesen fackelten nicht lange.
Das Partisanendenkmal bei Negrišora bei Čačak stand nach Ansicht der Straßenarbeiter der geplanten Autobahn im Weg, zumindest bis Sonntag.
Am Sonntag stand es nicht mehr.

Die Bewohner des Dorfes in Westserbien sind seitdem auf den Barrikaden.
Sie mochten ihr Denkmal sehr. Gerade in dieser Gegend im westlichen Zentralserbien zählt das viel.
Eigentlich gilt die Region bis heute als Četnik-Hochburg. Offensichtlich trifft das nicht auf alle Ortschaften und Städte zu.
Ob das Denkmal aus den 50-ern nur dem engen Terminplan für die Autobahn weichen musste, oder ob die Sache damit zu tun hat, dass die Bewohner von Negrišora und einigen Nachbargemeinden im Vorjahr tagelang mit Blockaden die Baustelle lahmlegten, wird sich nicht klären lassen.
Sie fühlten sich unter anderem bei der Enteignung von Grundstücken für die Autobahn übervorteilt, die gerade von einer chinesischen Firma gebaut wird.
Ehemaliges Konzentrationslager soll für Straße verschwinden
Ebenfalls einem Straßenbau soll Beograds größtes Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg weichen, das alte Messegelände Staro Sajmište.
Oder zumindest der Großteil.
Davor warnt das Zentrum für Holocaustforschung- und Erziehung (CIEH) in Beograd.
Für den Abriss wurde nach Recherchen von Al Jazeera Balkan bereits eine Firma beauftragt.
Zuallererst soll es dem Deutschen Pavillon des Messegeländes am Sava-Ufer an den Kragen gehen.
Nach Angaben von CIEH ist bereits das halbe Dach des Gebäudes entfernt worden.
Vor dem Gebäude steht ein Bagger ohne Nummertafel.
Das Gelände ist nicht mit einem Bauzaun abgesperrt.

Man fühlt sich an die Posse um das Sava Mala-Viertel erinnert.
Der Deutsche Pavillon sollte seit mehreren Jahren ein Gedenkzentrum für die Roma, Juden und Regimegegner beherbergen, die im auch als Lager Semlin bekannten Lager inhaftiert, gefoltert und ermordet wurden.
(Mehr über das Lager und seine Geschichte könnt ihr HIER nachlesen.)
So verkündete es die Beograder Stadtverwaltung nach eine Vereinbarung mit dem Simon Wiesenthal-Zentrum im Jahr 2015.
Damals hieß es noch ganz großspurig: Der Deutsche Pavillon werde der erste auf dem verfallenden Gelände sein, der restauriert werden soll.
Anders als die Stadt damals versprach, stehen weder der Deutsche Pavillon noch der Großteil des ehemaligen Lagers bis heute unter Denkmalschutz.
CIEH hat am Dienstag einen internationalen Hilfsappell abgesetzt, den geplanten Abriss der Gedenkstätte zu verhindern.
Serbiens ältestes Jugendtheater in Gefahr
Und Montagabend verkündete das Ensemble von Serbiens ältestem Jugendtheater „Boško Buha“, dass man trotz offenkundigen Drucks von außen nicht aus dem aktuellen Standort am Trg Republike 3 ausziehen wolle.
Benannt ist es nach Boško Buha, der als 17-Jähriger im antifaschistischen Befreiungskampf ums Leben kam.
Dort befindet sich das Theater seit dem Jahr 1950.
Die Eigentümer des Gebäudes – oder Nicht-Eigentümer, man es weiß es nicht so genau – üben mehr oder weniger sanften Druck aus, dass das Theater an den Savski Venac am Sava-Ufer ziehen soll.
Zumindest doch bitte während der Renovierung.
Die Renovierung zieht sich seit mittlerweile acht Jahren hin.
Wem gehört das Theater?
Die Stadt Beograd, mit der das Boško Buha-Theater einen unbefristeten Nutzungsvertrag für seinen Standort hat, hat in dieser Zeit nicht ganz klären können, wer was alles genehmigen muss oder auch nicht.
Oder streng genommen, wem jetzt der Standort gehört, auf dem das Theater untergebracht hat.
Das Haus am Trg Republike 3 wurde 2017 von der Stadt verkauft. Oder auch nicht.
Zumindest nicht zur Gänze.
Der Theaterstandort gehört der Stadt. Oder auch nicht.
Oder vielleicht gehören nur die Bühnen des Jugendtheaters der Stadt. Oder auch nicht.
Rechtlich gesehen sei die Einträge im Grundbuch klar und in Ordnung befand das zuständige Amt in Serbien nach Recherchen des kritischen Portals Nova.rs.
Was nicht klärt, wer jetzt welches Verfügungsrecht über den Standort von Serbiens ältestem Jugendtheater hat.
Einem privaten Eigentümer, einer Firma von Aca Bosanac, gehört offenbar ein Teil des Theaters, angeblich hat die Bezirksverwaltung Stari Grad dort weiter ein Nutzungsrecht, das wiederum die Stadt Beograd 1950 unbefristet dem Theater Boško Buha zugestanden hat.
Aca Bosanac, eigentlich Aleksandar Kajmaković, ist ein schillernder bis zwielichtiger Geschäftsmann, dem mittlerweile auch der berühmte Geleks-Tower in Beograd gehört – nebst etlichen Lokalen.
Unter anderem wurde er schon Opfer eines Sprengstoffattentats und im Jahr 2021 gemeinsam mit dem mutmaßlichen Mafia-Boss und Anführer der Partizan-Ultras Janičari Veljko Belivuk bei einer Großaktion des serbischen Innenministeriums festgenommen.
Er war der Geldwäsche verdächtigt worden, Anklage wurde nie erhoben.
Das alles bringt einen zu dem Mann, mit dem alle drei Ereignisse verbunden sind.
Goran Vesić, heute Verkehrsminister in Serbien für die Partei SNS von Serbiens Präsident Aleksandar Vučić.
Er ist als Minister politisch Letztverantwortlicher für den Autobahnbau, bei dem am Wochenende das Partisanendenkmal von Negrišora zerstört wurde.
Am Dienstag kündigte er auch an, die chinesische Straßenbaufirma werde verpflichtet, das Denkmal wiederaufzubauen.
Letztendlich ist er auch der politisch Letztverantwortliche für das Straßenbauprojekt, dem die Hälfte des ehemaligen Konzentrationslagers Staro Sajmište zum Opfer fallen soll.
Was freilich nicht seine einzige Verbindung ist.
Er war 2015 Stadtamtsdirektor von Beograd – und er war es, der damals großspurig verkündete, am Gelände werde ein Gedenkzentrum entstehen, und der Deutsche Pavillon werde der erste sein, der renoviert würde.
Er war auch 2017 Stadtamtsdirektor von Beograd, als die Stadt Beograd das Erdgeschoss des Trg Republike 3 – oder zumindest Teile davon an einen schillernden serbischen Geschäftsmann verkaufte -, wo das älteste Jugendtheater Serbiens untergebracht ist.
Jenes Jugendtheater, dessen Renovierung die Stadt Beograd seit Jahren verschleppt, und das der Beograder Bürgermeister mehr oder weniger unmissverständlich aufgefordert hat, doch an einen anderen Standort zu ziehen.
Drei Projekte rund um Gedenkstätten, mit denen Vesić in verantwortlicher Position zu tun hat, gehen gewaltig schief.
Höflich formuliert muss man feststellen, Goran Vesić hat kein glückliches Händchen beim Schutz von Jugoslawiens und Serbiens historischem Erbe.
Mitarbeit: Jugoslav Krminac
Titelfoto: Zerstörtes Partisanendenkmal bei Negrišora. Fotograf unbekannt.