Wie auch das Portrait von Milan Dog zeigt – selbst im traditionell sehr offenen und multikulturellen Novi Sad machen sich unangenehme Tendenzen breit. Serbische Nationalisten versuchen, die Stadt auf Linie zu bringen. Teile des Kulturbetriebs sind ihnen zu Diensten. Am sichtbarsten war das während des Projekts Kulturhauptstadt Europas 2022.
Man sollte meinen, eine Kulturhauptstadt Europas stellt dem Rest des Kontinents vor, wie breit und vielfältig ihre Kultur ist.
Novi Sad hat genau das versteckt. Zumindest die Verantwortlichen für das Projekt Kulturhauptstadt.
Um keinen Preis sollte ein Uneingeweihter auf die Idee kommen, hier gebe es etwas Anderes als Serben.
Siehe dieses Video, das ich soeben dazu gemacht habe.
Das war auch keine zufällige Momentaufnahme. Diese Politik setzt sich in Wahrheit auf der Homepage fort.
Dort gibt’s zwar auch Serbisch im lateinischen Alphabete – aber sonst keine der offiziellen Sprachen Novi Sads.
Da mag mir jetzt wieder wer kommen damit, dass Kyrillisch ja keine böse Schrift sei und Serben halt gerne dieses Alphabet benutzen.
Stimmt.
Stimmt nur hier nicht.
Hier ist das keine unschuldige Schrift.
Wenn man in einer Stadt mit offiziell fünf Amtssprachen – Serbisch, Ungarisch, Slowakisch, Ruthenisch/Russinisch und Rumänisch – nur eine Sprache und eine Schrift verwendet, wenn man sich der Welt darstellt, ist das eine gewollte Aussage.
Kommt, seht her, so bin ich.
Dieses „so“ ist ein Ergebnis einer zehnjährigen Politik, wo man die Autonome Provinz Vojvodina und vor allem ihre Hauptstadt Novi Sad auf Linie bringen wollte und will.
Alles Nicht-Serbische soll an den Rand gedrängt werden.
Man muss das klar benennen: Serbische Nationalisten wollen das historische und kulturelle Erbe der Provinz verdrängen um sich in ihrer Illusion eines ethnisch reinen Staates zu suhlen.
Klar geht es hier auch um schnöde Machtpolitik.
Die Vojvodina ist bis heute ein Gegengewicht zur Regierung in Beograd.
Das mag jemand wie König Aleksandar gar nicht.
Wenn man es schafft, dort genehme Leute zu installieren und die Gegend so weit wie möglich kulturell gleichzuschalten, ist man dieses Gegengewicht los.
Begonnen hat das vor zehn Jahren, als das öffentlich-rechtliche Radio der Vojvodina gleichgeschalten wurde.
Milan Dog war einer der wenigen, die da nicht mitmachten.
Er hat den Preis bezahlt.
Diese Politik hat sich beim Projekt Kulturhauptstadt Novi Sad 2022 nahtlos fortgesetzt.
Und wenn man mit Künstlern aus der Stadt redet, eben nicht nur auf der symbolischen Ebene.
Kritiker wurden an den Rand gedrängt, genehme Künstler an den Futtertrog gelassen.
Klar, auch anderswo umgeben sich die Mächtigen am liebsten mit genehmen Künstlern.
Aber in offeneren Gesellschaften lässt man die Aufmüpfigen wenigstens finanziell leben und versteht, dass Kultur ohne sie eigentlich ziemlich langweilig wäre.
Und sei es nur der Imagepflege wegen.
Nicht einmal die scheint den Verantwortlichen für Novi Sad 2022 sonderlich wichtig gewesen zu sein.
Die großartige Kunst, die es an den Rändern dieses Projekts gab, verblasst angesichts solcher Entscheidungen.
Das ist schade.
Novi Sad hat Besseres verdient.