Vielerorts sind sie verdrängt worden. Viele trauen sich nur mehr, sie in ihren privaten Räumen zu zeigen. Die Fahnen des sozialistischen Jugoslawien und seiner Teilrepubliken. Dieses Haus in Montenegro aber ist das wohl einzige der Welt, wo das Symbol der proletarischen Revolution ein Symbol des Kapitalismus überragt.
Es ist nicht der einzige Widerspruch, der sich aus der kapitalistischen Restauration im ehemaligen Jugoslawien ergeben hat.
Aber einer der augenfälligsten. Der auch ein paar Nebenwidersprüche zutage fördert.
Dieses Haus hat die Adresse Ulica Njegoševa 20 in Herceg Novi in Montenegro.

Es ist der Sitz der örtlichen Filiale der Addiko Bank.
Eine kommunistische Fahne auf einer Bank.
Ein Symbol der Revolution überragt ein Symbol der kapitalistischen Wende.
Das ist wohl weltweit einzigartig.
Und hat eine Geschichte.
Verbindungen zum antifaschistischen Kampf in Jugoslawien
Dieses Haus gehörte Ana Benković, der Mutter von Josip Bepo Benković, wie eine Hinweistafel verrät.
Bepo war antifaschistischer Kämpfer und Maler.
Er war einer der Pioniere der Arbeiterbewegung in Herceg Novi. Als die Nazis Jugoslawien überfielen, ging er als Kommunist sofort in den Widerstand und war vor allem in Beograd aktiv.
Dort wurde er verhaftet und im Feburar 1943 erschossen.
Ana, Bepos Mutter, scheint die Einstellungen ihres Sohnes geteilt zu haben.
Sie vermachte ihr gesamtes Hab und Gut der Vereinigung der antifaschistischen Kämpfer in Herceg Novi, wo sie 1967 starb.
Jörg Haider und das Beinahe-Scheitern des Kapitalismus
Zum Besitz gehört auch dieses Haus, wo eine Zeitlang eine Galerie untergebracht war.
Irgendwann zog hier eine Filiale der später skandalumwitterten Hypo Alpe Adria Bank ein.
Die vormalige Kärntner Landesbank übernahm sich mit ihren Balkangeschäften, vergab dubiose Kredite und wurde vom rechtsradikalen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ/BZÖ, gest. 2008) dazu eingesetzt, seine Prestigeprojekte im Bundesland zu finanzieren.
Während der Finanzkrise ging die Hypo Alpe Adria pleite, wurde verstaatlicht und tranchiert, riss de facto das Bundesland Kärnten mit sich und löste dazwischen einen seltsamen Rechtsstreit zwischen der Republik Österreich und dem Kurzzeiteigentümer Hypovereinsbank aus Bayern aus.
Ihre Filialen im ehemaligen Jugoslawien hat die Addiko Bank übernommen. Das gilt auch für die Niederlassung in Herceg Novi.
So gesehen ist die Bank in der Njegoševa 20 nicht nur ein Symbol für die kapitalistische Restauration im ehemaligen Jugoslawien.
Sie ist auch Symbol für den ökonomischen und finanziellen Raubzug vor allem Österreichs und Deutschlands nach der so genannten Wende am Balkan.
Sie ist Symbol dafür, was passiert, wenn Rechtsradikale an die Macht kommen.
Und sie ist Symbol für die Widersprüche des kapitalistischen Systems, die 2007/2008 den Kapitalismus nur nicht beseitigten, weil die Industriestaaten ihn mit unfassbaren Summen Geldes bis heute stützen.
Für die Bevölkerungen gab und gibt es Sparpakete. In Frankreich und Chile gehen die Leute gegen sie auf die Straße. In Großbritannien und in den USA sterben sie. In beiden Ländern ist die Lebenserwartung durch die Austeritätspolitik gesunken.
Wie man das Haus deuten kann
Aus der vorläufigen Rettung des Kapitalismus könnte sich durchaus eine neue Erzählung der Revolution ergeben.
Das ist die progressive Deutung der Njegoševa 20.
Reaktionär gesehen steht das Haus mit Bank und der Fahne der Sozialistischen Republik Montenegro (innerhalb der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien) für das zwangsläufige Scheitern des Kommunismus und das moralische Versagen des Finanzkapitalismus.
Lösbar, indem man an das Gewissen der Verantwortlichen appelliert, ein paar kosmetische Reformen durchführt, die ja nichts ändern, und von einer heilen Welt ohne Widersprüche träumt.
Man kann es sich aussuchen.
Eine sehr interessante Geschichte. Danke fürs Recherchieren.
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Das ist nicht die jugoslawische Flagge, sondern die Flagge der ehem. Sozialistischen Republik Montenegro
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Danke, ist ausgebessert. Da hab ich wohl in freudiger Überraschung zwei ähnliche Fahnen verwechselt. Peinlich, ist aber so.
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