Ivica Osim ist tot. Der Fußballspieler und Trainer war eine Legende. In seiner Geburtsstadt Sarajevo und in seiner Wahlheimat Graz. Ebendort starb er wenige Tage vor seinem 81. Geburtstag. Um Osim trauern der FK Željezničar, der SK Sturm Graz, ungezählte Fußballfans in Bosnien, Österreich und Japan und alle Bosnier, die an ein friedliches Zusammenleben glauben.
Ausgerechnet am Tag der Arbeit und knapp vor der Feier des Jahrestags der Vereinsgründung des SK Sturm Graz traf die Nachricht die Fans hart.
Ivica Osim, erfolgreichster Trainer des Klubs, ist tot.
Auch wenn der 80-jährige seit einem Schlaganfall vor 14 Jahren gesundheitlich angeschlagen war, um ihn machte man sich selten Sorgen.
Vielleicht lag das auch daran, dass er sich seit Beginn der Covid-Pandemie kaum mehr in der Öffentlichkeit gezeigt hatte, wie ORF.at schreibt.
Vielleicht entgingen so seinen vielen Fans seine gesundheitlichen Probleme.
Trauer auch bei seinem bosnischen Verein FK Željezničar in Sarajevo.
Die Karriere des Švabo
Für den erzielte er als offensiver Mittelfeldspieler von 1959 bis 1968 56 Tore in 166 Spielen, und nach einem kurzen Zwischenstopp noch mal eine Saison lang von 1969 bis 1970.
Dazwischen und danach: Spieler beim jugoslawischen Nationalteam, mit acht Toren in 16 Spielen, und eine respektable Karriere in Frankreich.
Švabo nannten sie ihn zuhause. Osim war eben blond. Da konnte keiner wissen, dass er später den Švabos das Fußballspielen beibringen würde.
Zur Legende wurde Osim in seiner zweiten Fußballkarriere als Trainer.
1978 bis 1986 beim Heimatverein Željezničar, danach fünf Jahre beim jugoslawischen Nationalteam. Er war der letzte Trainer des Teams, und während es Ende der 80-er in Jugoslawien rumorte, er und die Nationalelf zeigten: Wenigstens am Fußballfeld war mit Jugoslawien zu rechnen.
Für die EM 1992 galt das Team als einer der Favoriten. Unter Osim hatte es die Qualifikation geschafft.
Aus Protest gegen den immer offeneren Nationalismus trat er kurz danach als Trainer zurück. Für ihn „eine Frage des Charakters“.
Das Land zerbrach vor der EM, und mit ihm hunderttausend Leben endgültig.
Zur Legende wurde der gebürtige Sarajevoer in Graz. In den 90-ern machte er Sturm Graz zum erfolgreichsten österreichischen Verein. Der Verein hat ihn zum Jahrhunderttrainer erklärt.
Alles für den Fußball – und ein bisschen mehr
Seitdem haben ihn die Grazer ins Herz geschlossen, auch während seiner Zeit als Trainer in Japan, wo er zeitweise die Nationalmannschaft leitete.
Auch die Fans von GAK, die das vielleicht nicht alle zugeben. Und auch die Grazerinnen und Grazer, die sonst gar nichts mit Fußball am Hut haben.
Mit Letzteren wird sich der bekannt tolerante Osim wohl auch ganz gut vertragen haben. Auch wenn er nach dem Motto lebte: „Ein Tag ohne Fußball ist ein verlorener Tag“.
Seine Autobiografie heißt nicht zufällig „Spiel des Lebens“. In Österreich wie in Sarajevo wird sie bis heute gerne gekauft, und nicht nur von Fußballfans.
Aber, wer bereit ist, mit einem verbohrten serbischen oder kroatischen oder bosnjakischen Nationalisten zu diskutieren, dass Hass und Sich-als was besseres-Fühlen schlecht für alle sind, und dass es nur gemeinsam weitergehen kann, der wird auch mit jemandem reden, der nicht der These zustimmt: „Die Welt ist alles, was der Ball ist„, wie der Titel eines literarischen Portraits zu seinem 75. Geburtstag lautet.
Er hatte auch noch etliche andere Interessen. Osim hatte einen Abschluss in Mathematik und Philosophie, war parallel zum Beginn seiner Fußballerkarriere auch eine Zeitlang Nachhilfelehrer für Kinder aus Sarajevo, die sich mit Mathematik oder Naturwissenschaften schwertaten.
Nur redete er öffentlich nicht so gerne darüber. Er wollte nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich selbst lenken.
Lieber auf den Fußball. Und auf Menschen, die Hilfe brauchten.
Nicht nur als Fußballer und als Trainer war er ein Großer.
Ivica Osim, das war einer, den hast du gemocht, wenn du ein guter Mensch bist. Automatisch. Auch, wenn du sonst nichts mit ihm gemein hattest. Der hatte diese Ausstrahlung.
Auch wenn er ein bisschen ein Grantler war. Das Lachen, das war ihm vergangen, bei all dem, was von 1992 bis 1995 seiner Heimatstadt angetan wurde.
Bei dem hast du gewusst: Das ist einer mit Anstand.
Am 1. Mai 2022 hat dieses große Herz endgültig zu schlagen aufgehört.
Neka ti je laka zemlja.
Möge dir die Erde leicht sein.
Titelfoto: Radiofabrik Community Media Association Salzburg bei flickr.com
Ein tiefgründiges Portrait von Ivica Osim könnt ihr beim Ballesterer lesen.
Sehr lesenswert ist auch das Feature der Online-Zeitung Neue Zeit zum 80. Geburtstag von Ivica Osim.
Hat dies auf akinblog rebloggt.
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Möge ihm die Erde leicht sein…
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