„Für 1.000 Euro bist du sicher“

Yildirim ist österreichisch-türkischer Doppelstaatsbürger wider Willen. Damit der Kurde seine alte Staatsbürgerschaft los wird, verlangen Beamte am türkischen Konsulat viel Geld. Dass jetzt Listen mit angeblichen Doppelstaatsvürgern kursieren, verschärft sein Problem zusätzlich. Balkan Stories hat mit ihm gesprochen.

„Nicht mal mein österreichischer Reisepass und mein österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis reichen den türkischen Behörden, um mich auszubürgern“, sagt Yildirim*.

Er wirkt bei unserem Treffen in einem Wiener Kaffeehaus nervös. Das Hin und Her mit türkischen und österreichischen Behörden in den vergangenen Monaten setzt ihm sichtbar zu.

„Das türkische Konsulat verlangt von mir auf einmal auch, dass ich die Verleihungsurkunde über die österreichische Staatsbürgerschaft vorlege. Das wird ziemlich kompliziert.“

Das Original ist vermutlich in den Turbulenzen seines Privatlebens in den vergangenen Jahren verloren gegangen. Scheidung, Rauswurf aus der gemeinsamen Wohnung, zwischenzeitiger Absturz ins soziale Abseits.

Dass die türkishcen Behörden diese und keine andere Urkunde als Nachweis akzeptieren, dass Yildirim eine andere Staatsbürgerschaft hat, ist für sich genommen schlüssig kaum zu erklären.

Es seit denn, man berücksichtigt den „Ausweg“, den ihm ein Beamter des Konsulats vorgeschlagen hat: „Mir hat er gesagt: Du zahlst etwas und die Geschichte ist erledigt. Für 1.000 Euro bist du sicher.“

Es ist nicht das erste Mal, dass türkische Behörden Geld verlangen

Die Geschichte passt zu den Erfahrungen, die andere gemacht haben, als sie die türkische Staatsbürgerschaft loswerden wollten.

Der österreichische Politiker Şenol Akkılıç etwa schildert im österreichischen Nachrichtenmagazin profil, von ihm habe man 10.000 Euro verlangt, damit er sich vom türkischen Militärdienst freikauft. Erst dann habe man ihn aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen.

Bei Yildirim ist das kein Thema mehr. Er ist gut ein Jahrzehnt zu alt, um theoretisch noch den Militärdienst in der Türkei ableisten zu küssen. Außerdem war er Mitte der 80-er schon in Österreich beim Bundesheer. Das anerkennt die Türkei – theoretisch.

Vielleicht erklärt dieser Umstand, dass die „Gebühr“ in seinem Fall niedriger ist.

Ein Erbschaftsstreit deckte die Doppelstaatsbürgerschaft auf

Dass er 30 Jahre lang türkisch-österreichischer Doppelstaatsbürger war, weiß der in Istanbul geborene Kurde erst seit drei Jahren.

Nach Jahrzehnten reiste er in die alte Heimat um einen Erbschaftsstreit mit einem Cousin zu regeln. Es geht um ein paar Häuser in der Osttürkei, wo seine Familie ursprünglich herkommt.

„Ich musste keine Visa-Gebühren zahlen, um einzureisen“, sagt Yildirim. „Da dachte ich mir, da ist was komisch.“

Dann habe er sich vor die Wahl gestellt gesehen, sofort die türkische Staatsbürgerschaft aufzugeben und auf sein Erbe zu verzichten. Oder abzuwarten, wie der Rechtsstreit ausgeht. Erben konnten in der Türkei bis vor kurzem nur türkische Staatsbürger.

„Ehrlich gesagt, ich hab mich für die zweite Variante entschieden. Aber nach der Aufregung in den vergangenen Wochen ist das hinfällig. Ich will da nur mehr raus.“ Zur Not verzichte er auf die Erbschaft.

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„Unterschreib das, sonst kannst du nicht erben“

Dabei war das Argument Erbschaft genau das, was den damals 19-Jährigen vor drei Jahrzehnten zu einer Unterschrift brachte, die die heutigen Probleme verursacht.

„Ich hab für die österreichische Staatsbürgerschaft natürlich meine Ausbürgerung am Konsulat beantragt“, schildert Yildirim. Als das erledigt war, hat ihm der Beamte einen Zettel zur Unterschrift vorgelegt.

„Unterschreib, hat er gesagt, sonst kannst du nicht erben. Auch mein älterer Bruder, der dabei war, hat mir zugeredet.“

Was auf dem Formular stand, wusste er nach eigenen Angaben nicht. „Ich war in der Türkei nur ein halbes Schuljahr lang in der Volksschule. Auf Türkisch bin ich fast Analphabet. Sprechen kann ich die Sprache auch nur sehr schlecht.“

Bis zu dem Zeitpunkt, wo er wegen einer Erbschaft vor ein türkisches Provinzgericht musste, war er auch nie wieder in der Türkei. Der Teil seiner Familie, von der er abstammt, zählt zu den Kurden, die vor Jahrzehnten nach Istanbul zwangsumgesiedelt wurden. Die Erinnerungen an die alte Heimat sind nicht die allerbesten.

Die Erinnerungen an die alte Heimat sind nicht die besten

Es hätte für ihn keine Möglichkeit gegeben, vor 2013 oder 2014 in Erfahrung zu bringen, dass er damals wieder die Einbürgerung in die Türkei beantragt habe, versichert Yildirim.

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„Erdogan hab ich sowieso nie gewählt und würde ich auch nie wählen“, meint Yildirim. Er spielt auf die Debatten der vergangenen Monate an. „Ich hab in der Türkei überhaupt noch nie gewählt und ich hab vom türkischen Konsulat auch nie eine Verständigung bekommen, dass ich wahlberechtigt bin.“

Was die Hoffnung nährt, dass er – möglicherweise wegen seiner ethnischen Herkunft – nicht auf den Listen mit wahlberechtigten Türken in Österreich steht, die mehreren österreichischen Politikern zugespielt wurden und in Teilen auch von österreichischen Behörden überprüft werden, ob sich nicht illegale Doppelstaatsbürger darauf befinden.

Jetzt überlegt Yildirim, wie er die 1.000 Euro auftreiben kann, um die Sache möglichst schnell zu beenden. „Das Gutes hat mir diese Staatsbürgerschaft sowieso nicht gebracht. Jetzt hoffe ich nur, dass mir das keine Nachteile einbringt.“

*Name geändert. Aus Rücksicht auf den Betroffenen wurden biographische Details ausgelassen, die einen Rückschluss auf seine Identität erlauben würden.

 

 

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