Das Pech von Meister Bogi

Bogi hat einen kleinen Friseursalon ein bisschen unterhalb von Zeleni Venac, der größten Bushaltestelle im Zentrum Beograds. Das bringt viel Kundschaft – aber nicht immer die, die man haben will. Eine Vignette.

Ein normaler Friseur, denk ich mir. Endlich. Genau das, was ich heute brauche.

Auf der Suche nach jemandem zum Bartstutzen bin ich zwischen dem Rand von Beograd na Vodi hierher gekommen, und bislang nur auf Barber Shops gestoßen.

Das sind auch Friseure, nur teurer. An die 20 Euro kostet ein Haarschnitt bei denen. Das ist für die serbische Hauptstadt schweineteuer.

Bogi ist Damen- und Herrenfriseur. Er verlangt die Hälfte.

Im Schaufenster hängt ein Schild, dass Bogi Lehrlinge sucht oder fertige Damen- und Herrenfriseure aufnimmt.

Nach jahrzehntelanger Auswanderung gehen dem meist schlecht bezahlten Dienstleistungssektor am Balkan die Arbeitskräfte aus.

Ein bisschen dauert’s noch, sagt mir Bogi. Er stutzt einem jungen Mann die Haare mit der Maschine. Auch den Bart lässt sich der Kunde stutzen.

Bogi arbeitet sehr sorgfältig.

Der junge Kunde bekommt einen perfekten serbischen Kurzhaarschnitt.

„Nimmst du auch Karte“, fragt der Kunde den Friseur. „Nein, machen wir nicht.“

Die Rechnung macht 1.800 Dinar aus. Das sind 15 Euro.

„Ich hab kein Geld bei mir, was machen wir jetzt?“

Es folgt ein Hin und Her zwischen Bogi und dem Kunden.

Dokumente, die er hierlassen könnte, so lange er Geld abheben geht, hat er auch keine bei sich, sagt er.

„Hast du Zeit, dass du mit ihm zum Bankomaten gehst?“, fragt Bogi seinen ungefähr 50-jährigen, grauhaarigen, Freund. Der sitzt in einem Sessel und liest Zeitung.

„Ok, ich geh mit mit ihm“, sagt der.

Der Kunde zieht sich seine dünne, schwarze Jacke an, die auf der Bank gleich neben mir gelegen ist.

Beide gehen ruhig aus dem kleinen Friseursalon hügelaufwärts Richtung Markt.

Bogi fegt den Boden und sagt mir, dass ich Platz nehmen soll.

Ich lasse mir den Bart stutzen und ausrasieren. Bogi macht gute Arbeit.

Als er mit dem Rasieren fertig ist, frage ich mich, wo die beiden bleiben.

Zum nächsten Bankomaten rauf, Geld abheben und wieder hierher sollte längst erledigt sein.

Praktisch in der gleichen Minute kommt Bogis Freund herein, fast wie auf’s Stichwort.

Er keucht ein wenig und hält sich das rechte Handgelenk.

„Abgehauen ist er, bevor wir beim Bankomaten waren“, sagt er. „Ich hab versucht, ihn zu erwischen“.

Das offensichtlich schmerzende Handegelenk lässt den Schluss zu, dass es zu einer Auseinandersetzung gekommen ist.

„Das kann ich nicht glauben. Wegen 1.800 Dinar!“, entfährt es Bogi. Er sieht ziemlich betroffen und erschrocken aus.

„Wenn er gesagt hätte, schau, ich hab kein Geld, ich kann nicht zahlen, dann hätten wir uns was überlegen können. Aber so?“

Er schüttelt den Kopf.

„Davonlaufen und einen Menschen schlagen, das alles wegen 15 Euro?“

Bogi sagt, er hat Kameras im Geschäft installiert. „Ich hoffe doch, dass wir den finden. Dann kriegt er ernsthafte Probleme. Und das alles wegen 15 Euro!“

Ganz glauben kann er es immer noch nicht. „Und er wollte auch noch, dass wir ihm die Haare waschen“.

So sehr man in dieser Region auch Wert auf akkurate Haarschnitte legt, so sehr stellt sich die Frage, ob ein solcher Haarschnitt es einem wert ist, eine Anzeige zu bekommen.

Dass man es sich mit einem kompetenten und leistbaren Friseur wie Bogi verscherzt, kommt erschwerend hinzu.

Die Episode sagt auch etwas aus über die Zustände im Königreich des Aleksandar.

15 Euro für einen Haarschnitt entsprechen etwa 50 bis 60 Euro in Wien, wenn man die Einkommensunterschiede berücksichtigt.

Das ist kein ganz kleiner Betrag, aber auch kein so hoher, dass man ihn sich unmöglich leisten könnte.

Andererseits: Das ist in etwa der Betrag, den einem die Taxifahrer am Busbahnhof und am Bahnhof in Beograd regelmäßig auf den Fahrtpreis aufschlagen wollen.

Man könnte vermuten, dass 15 Euro der Betrag sind, ab dem bei so manchem Beograder die kriminelle Energie beginnt.

Das in einem Land, in dem die Menschen dauerbeschallt werden mit Nachrichten, wie gut es ihnen doch dank der Regierung gehe.

So gesehen ist Meister Bogis Pech nicht nur seine Privatangelegenheit.

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