Dan Mladosti: Politische Spielchen in Sarajevo

In Sarajevos Cafe Tito fällt die traditionelle Feier des Dan Mladosti heuer aus. Die Bezirksverwaltung hat einen Trauertag angeordnet. Um die Opfer des Artillerieangriffs in Tuzla am 25. Mai 1995 geht es freilich nur vordergründig.

Kein Konzert. Keine Party. Nichts zum Gedenken an Jugoslawien oder Tito an einem der höchsten Feiertage des ehemaligen Jugoslawien.

Das bescheidet mir der Kennler im Cafe Tito in Sarajevo.

„Die Bezirksverwaltung hat einen Trauertag angeordnet“, sagt er.

Dan Mladosti, der Tag der Jugend – das war der offizielle Geburtstag Titos.

Aus ganz Jugoslawien kamen Jugendliche im Staffellauf und überbrachten dem jugoslawischen Staatschef Staffetten.

Der Trauertag gilt den Opfern des serbischen Artillerieangriffs auf eine Dan Mladosti-Feier in Tuzla im Jahr 1995.

Gezielt beschossen serbische Nationalisten mit Artilleriegranaten eine Veranstaltung von jungen Menschen jeglicher Religion, die das Erbe Jugoslawiens hochhalten wollten.

71 Menschen starben, 150 wurden verletzt.

Es stellt sich an diesem Tag die schwierige Frage: Wie ehrt man die Opfer dieses Anschlags am besten?

Ein Trauertag ist eine legitime Antwort.

Die andere legitime Antwort ist, dass man hochhält, wofür sie gestorben sind: Die Feier des Versprechens von bratstvo i jedinstvo, von Brüderlichkeit und Einigkeit.

Diese Frage ist ungeklärt. In Bosnien, im bosnjakisch-kroatischen Teilstaat Federacija, in Sarajevo.

Wer die politische Situation in Sarajevo kennt, – eine einigermaßen progressive Stadtregierung gegen eine klerikalnationalistische Opposition, die ihre Hochburgen in den Bezirksverwaltungen hat – weiß, dass die Entscheidung der Bezirksverwaltung kein Versuch ist, die Frage prinzipiell zu klären.

In dem knappen Jahrzehnt, in dem ich Sarajevo besuche, habe ich im Cafe Tito mehrfach den Dan Mladosti gefeiert.

Vergangenes Jahr noch gab es eine Party mit Konzert und aberhunderten Teilnehmern.

Heuer erinnert sich die Bezirksverwaltung plötzlich wieder der Toten von Tuzla.

Diese Hü-Hott-Politik erscheint nicht sonderlich glaubwürdig.

Zumindest nicht, wenn man davon ausgeht, dass sie zum Ziel hätte, der Toten des Massakers zu gedenken.

Das freilich ist nur vorgeschoben.

Klerikalnationalistische Kräfte im ganzen ehemaligen Jugoslawien wollen jeden positiven Bezug auf den untergegangenen Staat unterdrücken.

Das ist in Bosnien und noch nicht mal in Sarajevo anders.

Dan Mladosti-Feiern mal zu erlauben und mal zu verbieten, ist hier ein besonders effektives Mittel.

Es macht die Menschen mürbe.

Wenn du drei Jahre einen von Jugoslawiens höchsten Feiertagen feiern darfst und im vierten Jahr nicht, kommst du das fünfte Jahr wahrscheinlich gar nicht mehr ins Cafe Tito.

Genau darum geht es.

Diese Politik ehrt nicht die Opfer des serbisch-nationalistischen Anschlags in Tuzla.

Es instrumentalisiert sie, um eine Politik zu propagieren, gegen die genau diese Opfer eingetreten sind.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..