Es hätte eine innovative Kampagne werden sollen. Bundeskanzler und SPÖ-Bundesvorsitzender Christian Kern liefert Pizza aus und kommt mit Menschen ins Gespräch. Das Video war als Auftakt zu einer Mittelschichtskampage der SPÖ gedacht. Inkompetenz bei der Umsetzung hat dem ein frühzeitiges Ende beschert.
Wie kommt man mit dem österreichischen Regierungschef ins Gespräch? Man registriert sich unter der Subseite wasbewegtdich auf der SPÖ-Homepage und wenn man Glück hat, bringt einem Christian Kern eine Pizza ins Haus und redet mit einem über Politik.
Das hätte so aussehen sollen, laut SPÖ-Newsletter, ein Video, „das die Welt noch nicht gesehen hat“.
So weit, so gut und je nach Geschmack auch innovativ. Die Tageszeitungen berichteten freundlich. Das Video wurde 400.000 mal gesehen. Ein ziemlicher Erfolg.
Das Video hätte Auftakt zu einer Zwischenkampagne für den 1. Mai sein sollen.
Nur ist dem Team ein Anfängerfehler unterlaufen, wie er schwerwiegender nicht hätte sein können.
Der Familienvater, zu dem Christian Kern die Pizza bringt, ist SPÖ-Funktionär in Wien. Was weiter nicht tragisch wäre, wäre er nicht einigermaßen bekannt.
Einem rechten Schmierblatt blieb das nicht verborgen. Die Glaubwürdigkeit der Kampagne ist dahin. Dieser Schaden ist praktisch nicht mehr gutzumachen.
In den sozialen Medien hört man schon die Häme. Auch von der SPÖ nahestehenden Menschen. Blöderweise war die gesamte Kampagne auf Social Media ausgerichtet.
Jetzt wird man sich wohl an Hashtags wie #pizzagate gewöhnen müssen. EIn PR-Desaster.
Inszenierung wäre immer Bestandteil gewesen
Natürlich hätte diese Kampagne immer aus viel Inszenierung bestanden. Das tun alle Kampagnen. In diesem Fall sind die Gründe auch legitim.
Österreichischer Bundeskanzler zu sein ist kein gefährlicher Job. Das letzte Attentat auf einen Kanzler ist 93 Jahre her und scheiterte.
(Die Ermordung von Engelbert Dollfuß im Juli 1934 fällt aus der Rechnung. Der hatte kurz davor eine faschistische Diktatur errichtet und war ungeplanter Kollateralschaden bei einem fehlgeschlagenen Putsch der Nazis.)
Trotzdem, sicher sein kann man nie. Allein die Sicherheit des Regierungschefs schließt aus, dass der Kanzler einfach auf gut Glück unangekündigt dem Nächstbesten eine Pizza liefert, der in der richtigen Pizzeria anruft.
Christian Kern wird sich auch sicher gern auf politische Diskussionen mit Andersdenkenden einlassen. Aber man wird nicht riskieren wollen, dass er von Leuten angepöbelt wird, die ihn vielleicht extra aus diesem Grund als Pizzaboten bestellt haben.
Abgesehen davon, dass auch ein Bundeskanzler Anspruch auf respektvollen Umgang hat, würde so etwas auch zum PR-Desaster. Das bliebe sicher nicht geheim und würde die Kampagne ruinieren und dem Kanzler schwer schaden.
Nach Möglichkeit will man auch verhindern, dass Kern bei Leuten landet, die sich vielleicht über die Pizza freuen und auf ein Gespräch mit ihm, aber partout nicht auf Video aufgenommen werden wollen. Das wären leere Kilometer und man hat seine Zeit auch nicht gestohlen.
Man würde das bei einem Oppositionspolitiker nicht anders machen.
Registrierung von Interessenten war notwendig
Das Konzept funktioniert nur, wenn man die Pizzabesteller vorher ein bisschen unter die Lupe nimmt. Wer eine Pizza vom Kanzler will, muss sich anmelden.
Ein paar Leute dürfen nicht dabei sein: Offensichtlich Verrückte oder Gefährliche, bekennende Fans oder Funktionäre von Parteien, die für ihren unzivilisierten Umgang mit Andersdenkenden bekannt sind, und nach Möglichkeit auch nicht die für ihre Co-Referate bei allen passenden und unpassenden Gelegenheit bekannten Querulanten.
Und nach Möglichkeit Parteifunktionäre, die irgendjemand erkennen könnte, der das Video sieht.
Wie man den letzten Punkt übersehen konnte, ist schleierhaft. Der Fehler ist ein derart schwerwiegender, dass er nur mit akutem Dilettantismus im Kampagnenteam erklärt werden kann.
Die Kampagne wird man wohl beerdigen müssen.
In der SPÖ-Zentrale kann man sich mit dem Gedanken trösten, dass sie zu einem Oppositionspolitiker vermutlich besser gepasst hätte als zu einem Regierungschef.
Und dass der Kampagnen-Slogan: „Die einzige Partei, die für die Mittelschicht kämpft“ aus dem Mund einer sozialdemokratischen Partei nicht so klingt, als würde sie ihren historischen Auftrag allzu genau nehmen. Abgesehen davon, dass der Slogan auch nicht zum 1. Mai passt.