Die Klagemauer der Kroaten

Die Gedenkmesse für die 1945 ermordeten Ustaša in Bleiburg ist auch dieses Jahr zu einem Auftrieb für kroatische Nationalisten und Neofaschisten geraten. Unter tatkräftiger Mithilfe der katholischen Kirche. Erstmals formierte sich diesmal Protest. Mit der Hoffnung, dass die Faschistenverehrung in Bleiburg bald der Vergangenheit angehört.

Rudi und seine zwei Kameraden aus Marija Bistrica sitzen entspannt im Garten des Cafes des Einkaufszentrums Bleiburg/Pliberk.

An den Nebentischen sitzen Teilnehmer der Kundgebung gegen die Ustaša-Gedenkmesse. Die Demo soll in einer halben Stunde am Platz daneben beginnen. Zehn Meter von Rudi und seinen Freunden entfernt.

Rudi trägt ein T-Shirt mit verblichenem Ustaša-Wappen.

Der Ältere mit Bart neben ihm eines mit dem Logo der Einheit HOS aus dem Jugoslawienkrieg.

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Diese Einheit verwendete das Ustaša-Wappen und den Ustaša-Gruß „Za dom spremni“.

Der Spruch steht ebenfalls am T-Shirt des Mannes, der sich über dem Vormittagsbier eine Zigarette anzündet.

„Ich bin zum ersten Mal in Bleiburg“, erzählt mir Rudi. „Ich will meiner Verwandten gedenken, die hier gestorben sind.“

Ihn stört vor allem der Medienrummel. „Wir werden hier völlig falsch dargestellt. In Bleiburg sind 60.000 unserer Landsleute ermordet worden, die für unser Land gekämpft haben.“

Wie so vieles rund um Bleiburg ist das eine eher einseitige Darstellung.

Was in und um Bleiburg wirklich passierte

Kurz nach Kriegsende 1945 lieferten die Briten Angehörige von Ustaša-Verbänden und andere Nazikollaborateure aus Jugoslawien, die nach Österreich geflohen waren, an die Tito-Partisanen aus.

Die machten mit den meisten weniger kurzen als gar keinen Prozess. Tausende Gefangene wurden auf der jugoslawischen Seite der Grenze erschossen oder starben auf Märschen ins Landesinnere.

Die Leichen wurden in Felsspalten geworfen oder Schützengräben verscharrt.

Wie viele Ustaša und andere Nazikollaborateure umkamen, ist nicht bekannt. Seriöse historische Schätzungen schwanken zwischen 10- und 45.000.

Kroatische Nationalisten sprechen von 60- bis 100.000 Opfern, manche sogar von mehr. Eine wundersame Opfervermehrung, gleichermaßen.

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Samuel Laster

„Das muss man auch im Kontext der Zeit sehen“, sagt Samuel Laster, Herausgeber des Magazins Die Jüdische. (Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit der Jüdischen, Anm.)

Ohne die Vorgehensweise der Partisanen gutzuheißen verweist er auf den Völkermord und die anderen Kriegsverbrechen der Ustaša im Zweiten Weltkrieg.

Die kroatischen Faschisten unter Führung von Ante Pavelić ermordeten 750.000 Serben, Juden, Roma und politische Gegner, großteils auf besonders brutale Art.

Weniger Teilnehmer als in den vergangenen Jahren

Diesen Teil der Geschichte blenden die völlig aus, die heute zur Gedenkmesse am Loibacher Feld gekommen sind.

Zehntausend Teilnehmer sind es nach offiziellen Schätzungen. Weniger als in den vergangenen Jahren.

Sie stilisieren Bleiburg zum Gründungsmoment der kroatischen Nation empor. Als seien die Massaker eine jungfräuliche Geburt.

Andererseits: Die Gedenkmesse für die Faschisten ist immerhin eine hochkatholische Veranstaltung.

Zelebriert wird sie von Erzbischof Želimir Puljić aus Zadar. Er „hat sich in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass der faschistische Ustascha-Gruß „Za dom spremni“ für die Armee legalisiert wird. Das ist etwa so, als würde jemand versuchen das „Sieg Heil“ in Österreich wieder einzuführen“, wie der deutsche Journalist Krsto Lazarević in einer Reportage für den Standard schreibt.

Überhaupt, die katholische Kirche in Kroatien hat wenig Berührungsängste mit den Ustaša. Jahr für Jahr gibt es Gedenkmessen für den Faschistenführer Ante Pavelić.

Man hat seinerzeit bereitwillig kooperiert, Völkermord inklusive, und denkt heute nicht daran, das zu bereuen.

Das Kärntner Umfeld

Bei der Diözese Gurk-Klagenfurt stieß man in den vergangenen Jahren mit dem Wunsch, der ermordeten Mörder zu gedenken, auf offene Ohren.

Die Sympathien für den kroatischen Nationalismus sind bei der katholischen Kirche und den Konservativen in Österreich traditionell groß.

Zumal hier in Kärnten, wo die großdeutschen Großbauern mit ihrer Deutschtümelei und ihrem Einfluss jahrzehntelang dafür sorgten, dass man den Nationalsozialismus nicht gänzlich als Fehler betrachtete.

Auch die Sozialdemokratie in Österreichs südlichstem Bundesland war lange einer eher entspannten Sicht auf die Nazizeit nicht abhold.

Eigentlich sollte es heuer keine Fahnen auf der Messe geben, versprach die Diözese Gurk-Klagenfurt vor wenigen Tagen. Diese Auflage hatte man den kroatischen Veranstaltern gemacht, damit sie die Gedenkmesse in Bleiburg abhalten konnten.IMG_7188b

In den vergangenen Jahren hatten die Teilnehmer ungeniert Ustaša- und Nazifahnen mitgehabt, waren in Uniformen aufgetreten, hatten T-Shirts mit faschistischen Sprüchen.

Ganz ernst scheint man es mit dem Fahnenverbot nicht zu meinen. Am Messegelände halten mehrere Teilnehmer Fahnen.

Vielleicht haben auch die Veranstalter eine eigene Definition, was eine Fahne ist, und was nicht.

Verbot mit Augenzwinkern

Wer mit verdächtigem Material erwischt wird, kann es beim Infozelt abgeben und nach der Messe wieder abholen.

Das Logo des Infozelts: Das Ustaša-Wappen. Erkennbar daran, dass es mit einem weißen Quadrat beginnt. In der offiziellen kroatischen Fahne ist links oben ein rotes Quadrat.

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Man wird das Gefühl nicht los, es sei ein Verbot mit Augenzwinkern.

„…, dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag…“

Eine weitere Unstimmigkeiten rund um Bleiburg.

Eine andere wäre, dass dieser kleine Kärntner Ort überhaupt zum Bezugspunkt für kroatische Nationalisten geworden ist.

Die Massaker an den Faschisten fanden in Jugoslawien statt.

Der einzig nennenswerte Vorfall hier im Mai 1945 war der Selbstmord eines führenden Ustaša-Offiziers. Er vergiftete auch gleich seine Familie, wie ein örtlicher Pfarrer der Kärntner Antifaschistin Alexandra Hahlweg erzählt hat.

Nach katholischem Selbstverständnis ist das eine schwere Sünde. Für die allerkatholischsten kroatischen Nationalisten sollte das schwer wiegen.

Das verhindert nicht, dass sie seiner an seinem Grab vor der offiziellen Gedenkmesse als Helden gedenken, der für die kroatische Nation gefallen ist.

Wer hat hier nicht die Rundfunkmeldung vom 30. April 1945 im Ohr: „Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, daß unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist“?

Die freundlichen Faschisten

Ein älterer Mann trägt ein T-Shirt mit dem Konterfei von Ante Pavelić. Oder, wie er in diesen Kreisen immer noch respektvoll genannt wird: Dr. Ante Pavelić. So steht es auch auf dem Schriftzug unter dem Foto.

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Er und seine Freunde stehen am Rande der Messe. Zuhören können sie gut. Ob sie früher gegangen sind oder man sie nicht reingelassen hat, ist nicht zu eruieren.

Die Faschisten und ihre Sympathisanten sind ausnehmend freundlich. Am Weg zur Messe und danach posiert man bereitwillig für Fotos.

So wie diese drei Biker, die wir am Weg zur Messe treffen. Der auf der linken Seite trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: Herceg Bosna Patria Nostra. Herceg Bosna war die kroatische Abspaltung von Bosnien während des Jugoslawienkriegs. Kroatische Einheiten verübten dort zahlreiche ethnische Säuberungen mit tausenden Toten.

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Man ist vorzeitig auf dem Heimweg. Alkohol darf heuer keiner ausgeschenkt werden. Sogar das Trinkwasser ist in der schwülen Hitze ausgegangen.

Manche Besucher haben auch das Pech, sich erwischen zu lassen. Dieses Paar hat man nicht aufs Messegelände gelassen. Der Spruch „Za dom spremni“ ist vielleicht etwas überdeutlich zu sehen. Das Wappen ist auch eindeutig faschistisch.

Erwartbar war das nicht für die beiden. Sie haben die T-Shirts vor einem Jahr gekauft. Auf der Gedenkmesse in Bleiburg.

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Diesmal steht die Kirche auf der Bremse.

Zu groß wurde der öffentliche Druck, vor allem dank der hartnäckigen Recherchen der deutschen Journalisten Krsto Lazarević und Danijel Majić. Sie haben die offenen Faschistenumtriebe jahrelang dokumentiert.

Dafür beschimpfen Teilnehmer der Messe die beiden mehrfach. Auch gegen Journalistinnen und Journalisten, die man als kritisch einordnet, gibt es Beschimpfungen und Drohungen.

Wer nicht identifiziert werden kann, zu dem ist man freundlich.

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Auch bei diesem Reisebus macht man aus seiner Gesinnung keinen Hehl. Das Ustaša-Wappen ist deutlich zu sehen.

Vor einem Jahr noch war man hier in Ustaša-Uniformen aufmarschiert. Das lässt man diesmal nicht durchgehen.

Nur die ganz Dummen bekommen Probleme

Ganz Dumme lassen sich am Gelände am Loibacher Feld zu Ustaša-Grüßen hinreißen. Die sehen aus wie Hitlergrüße.

Kroatische Medien dokumentieren das.

Neun Teilnehmer der Gedenkfeiern werden wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz angezeigt, sieben festgenommen. Das ist mehr als in den vergangenen Jahren, wo die Umtriebe weitaus offener waren.

Die Klügeren benutzen Codes. Auf ihren Rücken haben diese Veteranen der Einheit „Crne Mambre“, Schwarze Mamben, aus dem Jugoslawienkrieg das Kürzel ZDS stehen.

Es steht für „Za dom spremni“.

 

Offizielle Unterstützung

Hundert Meter weiter sitzt ein Chauffeur schläfrig in einem schwarzen Audi.

Wer wird ihm die Müdigkeit bei der Hitze verdenken, die die Schwüle eines heranziehenden Gewitters verstärkt?

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Seinen Chef scheinen die Umtriebe am Loibacher Feld nicht zu stören. Vielleicht nimmt er sie auch nicht wahr.

Was er sollte. Es ist ein Vertreter des kroatischen Staates, der die Gedenkmesse seit Jahren feierlich unterstützt.

Ob in dem Auto Gordan Jandroković gesessen ist, der kroatische Parlamentspräsident? Oder sein Stellvertreter Milijan Brkić? Alternativ könnten es auch Verstaatlichtenminister Goran Marić oder Tomo Medved sein, der Veteranenminister.

Gesundheitsminister Milan Kujundžić ist als Passagier beinahe auszuschließen. Wenn er sein Amt ernst nimmt, ist er die drei Kilometer vom Bahnhof zum Messegelände zu Fuß gegangen.

Die kroatische Delegation hat von der österreichischen Polizei eine feierliche Eskorte bekommen.

Auch ein muslimischer Geistlicher ist aus Bosnien gekommen, was Samuel Laster ebenso kritisiert wie das Engagement der katholischen Kirche. Die Distanzierung der österreichischen Glaubensbrüder sei eindeutiger ausgefallen als die katholische, sagt er: „Die islamische Gemeinde in Österreich will damit nichts zu tun haben.“

Die Gegendemo ist deutlich kleiner

Die Antifaschisten zur Gegendemo mussten auf eigene Kosten anreisen oder allenfalls auf die ihrer jeweiligen Organisation.

Was die Polizei vor allem für sie tut: Sie werden die ganze Veranstaltung über videoüberwacht.

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Wie fairerweise auch die Teilnehmer der Faschistengedenkmesse.

Etwas mehr als 100 Teilnehmer sind zu dieser Gegendemo angereist. Es ist die erste in Bleiburg überhaupt.

 

Anders als die Leute am Loibacher Feld haben sie keine Unterstützung hochrangiger Staatsvertreter.

Der Bürgermeister von Bleiburg lässt sich nicht auf der Kundgebung blicken. Er sei neutral, lässt er ausrichten.

Der Mann ist Sozialdemokrat.

Immerhin, er wird ertappt, als er vom Garten des Cafe nebenan den Reden lauscht.

Ganz unprominent ist die Besetzung nicht

Ganz unprominent ist die antifaschistische Kundgebung freilich nicht besetzt. Der grüne Abgeordnete zum EU-Parlament Michel Reimon ist einer der Zuhörer.

Eine der Rednerinnen ist Violeta Tomić, Parlamentsabgeordnete der slowenischen Linkspartei Levica.

„Europa ist moderner geworden, demokratischer geworden. Und es muss noch moderner und demokratischer werden“, sagt sie gegenüber Balkan Stories. „Und dann haben wir dieses Faschistentreffen in Bleiburg?“

Auch Mirko Messner tritt auf, Bundessprecher der KPÖ. Er übersetzt die Rede von Antonia Romano von Transform Italia.

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Eine der Organisatorinnen ist Dagmar Schindler, stellvertretende Vorsitzende des KZ-Verbands. Der ist eine anerkannte Vertreterorganisation für Opfer des Faschismus und Antifaschisten.

„Wir haben eine rechtsextreme Partei in der Regierung, die plötzlich Kreide frisst und sich die Schafspelze umhängt und versucht, ihre antisemitische und rassistische Hetze zu relativieren und unter den Teppich zu kehren, sich mit einer sogenannten Historikerkommission einen Persilschein auszustellen und eben auch dieses Neonazitreffen am Loibacher Feld relativiert“, sagt Dagmar in ihrer Rede.

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Franjo Habulin ist Vorsitzender des Savez antifašističkih boraca i antifašista Republike Hrvatske SABA (HR), des Rats der antifaschistischen Kämpfer und Antifaschisten in Kroatien.

Hier ginge es längst nicht um Meinungen sagt er. Am Loibacher Feld werde Geschichte neu geschrieben. Das müsse man verhindern: „Es kann keine Versöhnung zwischen Faschismus und Antifaschismus geben“. Nazifaschismus war „keine Politik“, sondern „ein Verbrechen.“

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So klein die Demo im Vergleich auch sein mag, sie ist ein Zusammentreffen der aktivsten Antifaschisten der Region.

Neben einer starken Präsenz der KPÖ sind vereinzelt Mitglieder der SPÖ hier, die Sozialistische Linkspartei aus Wien hat ebenfalls ein Abordnung geschickt.

Mehrere kroatische Antifa-Organisationen sind hier, ebenso welche aus Slowenien und Italien.

Aus der slowenischen Bergbaustadt Hrastnik ist eine Kappelle angereist. Mit ihren traditionellen Bergbautrachten sind sie – mit Ausnahme der Polizei – die einzigen, die im weiteren Umfeld Uniform tragen.

Offiziell sind sie neutral. Und treten doch bei einer antifaschistischen Veranstaltung auf.

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Und der Betreiber der Facebook-Seite Serben gegen Rechts, der aus Sicherheitsgründen anonym bleibt.

Er hat auch versucht, die Veranstaltung am Loibacher Feld zu beobachten.

„Ich musste da schnell weg“, sagt er. „Die Symbole, die Stimmung, das war echt zu viel.“

Wieder hupt es aus Richtung der Bundesstraße, die unmittelbar hinter der Bühne der Gegendemo verläuft.

„Ich hab ihnen den Finger gezeigt“

Es ist ein Auto mit kroatischem Kennzeichen, mutmaßlich auf dem Weg zum Loibacher Feld.

Die Provokation bleibt nicht unbeantwortet. „Ich hab ihnen den Finger gezeigt“, sagt Samuel Laster von der Jüdischen.

Wie Dagmar ist der bedächtige Mann so etwas wie geborener Antifaschist: „Meine Eltern haben sich im Wald kennengelernt“, sagt er. Sie hatten als Partisanen gegen den Nationalsozialismus gekämpft.

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Die Aufmerksamkeit und die Gegendemo sind unangenehm für die katholische Kirche in Österreich.

Ein unglücklicher Vergleich

Außerhalb Kärntens betrachtet man die Bleiburger Umtriebe mittlerweile eher als Belastung, allen historischen Sympathien für den kroatischen Nationalismus zum Trotz.

Nur kann höchstens der Papst dem Kärntner Bischof sagen, dass er die Bleiburger Messe verbieten soll. Kirchenrechtlich sind weder Kardinal Christoph Schönborn als ranghöchster katholischer Kleriker in Österreich noch der Salzburger Erzbischof als Vorgesetzter des Kärntner Bischofs in der Lage, das zu tun.

Man sähe es lieber, würden die Kärntner den jährlichen Faschistenauftrieb selbst unterbinden.

Ungeachtet der jüngeren Vorbehalte gibt es aus Sicht der Kirche freilich ein prinzipielles Problem: Von außen will man sich auf keiner Hierarchieebene vorschreiben lassen, was geht und was nicht.

Es gehe auch um Religionsfreiheit, sagt ein hochrangiger Vertreter der Erzdiözese Wien zu Samuel Laster. Die Bleiburger Messe wegen „einiger weniger“ Extremer zu verbieten sei, als ob man die Klagemauer wegen einiger Radikaler schließen würde, versteigt er sich zu einem gelinde gesagt unglücklichen Vergleich.

Bleiburg als die Klagemauer der Kroaten.

Die letzte Gedenkveranstaltung?

Das würde den kroatischen Nationalisten und Neofaschisten gefallen. Sie sehen das kroatische Volk als Opfer der Geschichte und die Ustaša als seine traurigen Helden.

Dass die Gedenkmesse von Bleiburg offensichtlich und vor allem ein politischer Akt ist, lässt die Argumentation naturgemäß außer Acht.

Wie die ebenso offensichtliche Tatsache, dass unter den 10.000 Teilnehmern eben nicht nur einige wenige Radikale sind. Sondern die Veranstaltung in sich revisionistisch und radikal ist.

Dass es diesmal mehr Anzeigen und Festnahmen am Loibacher Feld gegeben hat als in den vergangenen Jahren, betrachten die antifaschistischen Aktivisten als kleinen aber unleugbaren Fortschritt.

Der Druck auf die Veranstalter steigt.

Vielleicht ein Beitrag, dass diese Gedenkmesse für Völkermörder die letzte war.

Einen ausführlichen Podcast über Bleiburg gibt es in der Reihe „Ballaballa-Balkan“ von Krsto Lazarević und Danijel Majić mit Tanja Malle.

Diese Reportage erschien auch bei den Ruhrbaronen.

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Ein Gedanke zu “Die Klagemauer der Kroaten

  1. Ich hab‘ noch deinen Blog mit Schönborn in Sarajevo in Erinnerung, und daher den Eindruck, weil du das angesprochen hast, der würde die Veranstaltung nicht untersagen, selbst wenn er’s könnte/dürfte. Vorsichtig zögernd würde ich ihm dabei zunächst seine Glaubensfreiheit zugestehen. Und da er kein Staatsanwalt und kein Politiker ist, sondern Bischof, muss er sich als solcher wohl nicht mit strafrechtlichen oder politischen Aspekten befassen. Selbiges gilt für die gesamte Katholische Kirche als Glaubensgemeinschaft. Da die Veranstaltung wohl auch unter Katholiken umstritten sein dürfte, hätte man von ihm oder einem anderen Kirchenvertreter aber eine Stellungnahme, zumindest an seine Glaubensgemeinschaft, erwarten dürfen.Tut er anscheinend nicht, sondern lobt anscheinend ausgerechnet katholische Kreuze, und ausgerechnet in Sarajevo.

    Aber, abgesehen von diesem kirchenrechtlichen Aspekt: Wer ist der eigentliche Veranstalter im staatsrechtlichen Sinn?

    Ist es die Kirche, finde ich es für befremdlich, dass nur zum Beispiel sogar auf dem Infostand die berüchtigte, faschistische umgedrehte Šahkovska zu sehen ist. Stellt die Kirche jetzt bei ihren Veranstaltungen rechtsextreme Symbole aus, wenn auch in Österreich nicht strafbar?

    Ist es nicht die Kirche, stellt sich mir die Frage, warum sie daran in führender Position teilnimmt. Also nicht, ob sie das untersagen hätte können. Die Veranstaltung selber dann natürlich nicht, aber den kirchlichen Segen – hier im Wortsinn – dabei selbstverständlich schon.

    In deinem diesen Blog bringst du ein Foto von einem Pärchen in schwarzen kroatischen Faschisten-T-Shirts, in Österreich anscheinend nicht verboten. Die beiden haben für mich offensichtlich überhaupt keine Ahnung, was sie da tragen. Haben sie halt voriges Jahr bei der Veranstaltung gekauft. Heilung der Wunden, Pfarrer, Totengedenken, halt ein erhebender Moment, man war dabei, und da solidarisiert man sich eben, indem man sowas kauft.

    Das ist, was mir sehr weh tut. Das völlige zeitgeschichtliche Unverständnis, und die Ignoranz, dass diese Geschichte jetzt ganz konkret immer schneller weitergeht. Es war einmal, und ist nicht mehr, ist leider nicht.

    Wie du in diesem Blog schreibst, war es die britische Besatzungsmacht, die die Ustaše und andere Faschisten den Tito-Partisanen „ausgeliefert“ hat, wohl keine reguläre Armee nach der Haager Landkriegsordnung, und die hatten wohl auch nicht die Ressourcen dafür, diese einzuhalten. Meinen Informationen nach hat Tito (übrigens selbst Kroate) aber den Befehl gegeben, Gefangene nicht zu exekutieren, sonst wären ja die Briten „schuld“. Ist dann doch geschehen. Wohin zeigt man nun mit dem Finger? Auf die Briten,Tito, die kroatischen Partisanen, oder ins Leere?

    Das wird in Bleiburg wohl niemand so recht überzeugend beantworten gekonnt haben. Der feine Unterschied, dass ein Kroate nicht per se „volkstreuer“ Faschist ist, sondern als kroatischer Partisan gegen seine Volksgenossen, und damit eigentlich gegen Hitlerdeutschland, gekämpft hat, und vielleicht von seinen Volksgenossen dabei abgeschlachtet wurde, geht hier unter, wie so vieles andere auch.

    Dabei ist Bleiburg nur ein Geplänkel am Rande, trotz der schwitzenden kroatischen Politikerchauffeure in den schwarzen Staatskarossen :-). Mit den „Jugoslawienkriegen“ ging’s ja weiter, und ist immer noch brandaktuell. Was die NATO-Offensive oder die Kosovo-Abspaltung betrifft, kann man durchaus diskutieren, ob das im Einklang mit dem Völkerrecht war. Was in der Region schon lange gilt, ist die berüchtigte normative Kraft des Faktischen. Das ist noch lange nicht vorbei, und das ist das eigentliche Problem: Eine wirtschaftlich desolate Region lockt NATO, EU, China, Russland, die arabischen Staaten, und was weiß ich, wen sonst noch. Ach ja, den Erdoğan. Und innerstaatlich, in BiH, HR, RS, usw., werden die lokalen Gruppierungen sehen, wie sich für sich das beste daraus machen. Mit dem Rücken zur Wand, und notgedrungen daher nicht immer fair.

    Das gestehe ich zu, aber so Aktionen wie die der kroatischen Regierung voriges (?) Jahr, plötzlich die Grenzen für alle Fahrzeuge mit serbischen Kennzeichen dicht zu machen, ist nicht nur unfair, sondern ein Handelskrieg. Von einem EU-Staat begonnen, und zwar von der EU beendet, aber erst, als der Schaden schon da war. Ist nur ein Beispiel für vieles, was am Westbalkan vorgeht.

    Ein Zitat aus der serbischen Nationalhymne: „Bože spasi, Bože hrani, srjpske semlje, sriprski rod“. Versöhnlich?

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